Wolf unter Wölfen
selbstverständlich und langweilig. Aber wenn Sie am hellen Tage das halbe Gut verschieben, so ist das eine großartige Sache – und die haben zu reden, noch und noch!«
»Amanda! Amanda!« sprach Pagel prophetisch. »Mir ist doch verdammt mulmig zumute. Wenn der olle Geheimrat ankommt und sieht, was ich hier angerichtet habe, und seine Gnädige hört, was sich die Weiber erzählen – ich weiß nicht, ob der Wisch in meiner Brieftasche kräftig genug ist. Ich fürchte, ich fürchte: Unter Donner und Blitz werde ich aus Neulohe scheiden!«
»Warten Sie’s alles nur in Ruhe ab, Herr Pagel«, schlug Amanda tröstlich vor. »Bis jetzt ist es doch noch immer so gewesen, daß Sie den meisten Ärger von allen hatten – und warum sollte das zum Schluß anders sein?«
»Richtig«, sagte Pagel. »Sie hat heute zweimal von Berlin angerufen, wo Geld bleibt – sie sagt, sie braucht noch viel. Ich glaube, sie will sich ein Geschäft kaufen – trotzdem ich mir das Geschäft noch nicht recht vorstellen kann, in dem Frau Eva von Prackwitz hinter einem Ladentisch steht. Ich fürchte sehr, ich werde mich entschließen müssen, morgen die Dreschmaschine zu vermöbeln – und was der alte Herr dann sagt …«
Erst sagte einmal ein anderer was –: Am nächsten Tage kam der örtlich zuständige Gendarm auf den Hof, in den Dreschmaschinenhandel hineingetrampelt mit seinem Fahrrad, und der war so verlegen höflich und so falsch liebenswürdig zu Pagel, daß über seine schlimmen Absichten gar kein Zweifel sein konnte. So wurde es Pagel nicht schwer, sehr unliebenswürdig zu sein, und als der Beamte schließlich damit herausrückte, daß er gerne einmal die Adresse der Herrschaft gehabt hätte, da verweigerte sie ihm Pagel rundweg.
»Herr und Frau von Prackwitz wünschen keine Störung. Ich bin ihr Beauftragter; was Sie ihnen zu sagen haben, das sagen Sie bitte mir.«
Was der Gendarm nun auch wieder nicht wollte. Recht ärgerlich zog er ab.
Und Pagel verhandelte weiter wegen der Dreschmaschine. Es war ein schöner Kasten, aber der Maschinenhändler aus der Kreisstadt wollte nicht den zehnten Teil des wirklichen Wertes zahlen, einmal, weil Geld in diesen Tagen unendlich knapp war, zum andern, weil es sich schon in der Gegend herumgesprochen hatte, ein verrückter Hund verramsche Neulohe für ein Butterbrot.
»Einen Augenblick mal, Sie!« sprach es da sehr empört. »Sie wollen wohl den Dreschkasten verkaufen?«
»Wollen Sie ihn kaufen?« fragte Pagel und sah sich interessiert den Herrn in Schilfleinen und mit Gamaschenbeinen an. Er konnte sich so ungefähr denken, wer das war. Ein einstmals vielbesprochenes Rennauto hielt ja dahinten.
»Erlauben Sie!« rief der Herr. »Ich bin der Sohn von Herrn Geheimrat von Teschow!«
»Dann sind Sie also der Bruder von Frau von Prackwitz«, stellte Pagel zufrieden fest und wandte sich wieder an den Maschinenonkel. »Also sagen Sie jetzt ein vernünftiges Wort, Herr Bertram, oder der Kasten bleibt hier!«
»Jawohl bleibt der Kasten hier!« rief zornig der Erbe. »Wenn Sie ein Wort sagen, Herr Bertram, mache ich nie wieder ein Geschäft mit Ihnen!«
Der Maschinenonkel sah verschüchtert von einem zum andern. Pagel lächelte nur. So murmelte Herr Bertram verwirrt den erleuchteten Satz: »Ja, wenn es so ist …« und verschwand von der Scheunentenne.
»Achthundert Rentenmark futsch!« sprach Pagel bedauernd. »Auf achthundert Rentenmark hätte ich ihn noch getrieben. Das wird Ihre Frau Schwester sehr bedauern!«
»Einen Dreck wird sie!« schrie der andere. »Achthundert Rentenmark für eine fast neue Schütte-Lanz, die so, wie sie da steht und geht, ihre sechstausend wert ist. Sie sind ja …«
»Ich hoffe, Sie schreien nicht mich an, Herr von Teschow«, sprach Pagel freundlich. »Sonst würde ich Ihnen nämlich nicht die Aufklärungen geben, wegen deren Sie doch sicher gekommen sind, sondern müßte Sie vom Hof jagen!«
»Mich von meines Vaters Hof jagen?!« sprach der Sohn verblüfft und starrte Pagel an. Aber in Pagels Auge lag etwas, das ihn ruhiger sagen ließ: »Also, wo können wir über die Kiste sprechen?« Und drohend: »Aber dummschmusen lasse ich mich von Ihnen nicht, Herr …!«
»Pagel«, half Pagel, wo keine Hilfe gewünscht wurde, und schritt voran zum Büro.
»Ja, wenn es freilich so ist!« sprach der junge Herr von Teschow und besah noch einmal die beiden Schriftstücke, die Vollmacht und die Ehrenerklärung. »Dann sind Sie völlig gedeckt, und ich bitte um
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