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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Mutter empor. Das alte Porzellanschild mit dem Gesandtschaftsattaché an der Tür, älter als er selbst, mit der abgeschlagenen Ecke, die er einmal, endlos lange her, mit seinem Schlittschuh abschlug. Der alte Geruch auf dem Flur mit seinen dunklen Truhen, eichenen Schränken, der alten, launischen Standuhr und den eiligen, großen Skizzen des Vaters hoch an den Wänden, die hell wie Wolken über der dunklen Welt zu schweben schienen.
    Aber neu sind die beiden großen festlichen Asternsträuße auf dem altmodischen Spiegeltisch, und als Wolfgang sie ansieht,findet er einen Zettel der Mutter zwischen den beiden chinablauen Vasen. »Guten Tag, Wolf!« liest er. »Kaffee steht in Deinem Zimmer. Mach es Dir gemütlich, ich mußte nur schnell noch einmal fort.«
    Einen Augenblick steht er unschlüssig vor diesem Gruß. Er weiß aus Minnas Berichten, daß die Mutter ihn jeden Tag, jede Stunde erwartet – aber dies ist ihm doch zuviel. Er hat sich dieses Warten anders gedacht, nicht so zielbewußt, mehr beiläufig. Ihm kommt der Gedanke, den Kaffee im eigenen Zimmer ungetrunken zu lassen, das Bild zu holen und zu gehen. Aber das mag er auch wieder nicht, wie ein Dieb in der Nacht – nein! Er zuckt die Achseln, der Blasse ihm gegenüber im grünlichen Spiegel tut es auch, und lächelt sich fast verlegen zu. Dann knüllt er den Zettel zusammen und steckt ihn in die Tasche. Nun errät die Mutter aus dem Fehlen des Zettels: er ist da – und sucht ihn. Je eher, je besser.
    Er geht auf sein Zimmer.
    Auch dort sind Blumen, diesmal Gladiolen. Er erinnert sich dunkel, einmal der Mutter gesagt zu haben, er möge Gladiolen gerne. Natürlich hat sie das behalten und ihm welche hingestellt, jetzt soll er sie abermals gerne mögen. Aber auch fühlen: wie liebt dich deine Mutter, daß sie an all dies denkt –!
    Jawohl, darin war sie groß: sie rechnete in der Liebe: Tue ich das, hat er so zu fühlen. Er dachte gar nicht daran, die Gladiolen waren nicht schön! Sie waren steif und künstlich mit ihren dünnen Farben – bepinseltes Wachs! Peter würde nie in der Liebe rechnen –!
    Warum denke ich nur plötzlich so gereizt an Mama? überlegte er, während er sich den wirklich noch heißen Kaffee eingoß. (Sie mußte ihn eben erst hingestellt haben. Ein Wunder, daß sie sich auf Treppe oder Straße nicht begegnet waren!) Ich bin direkt wütend auf sie. Ob es das Haus ist, der alte Geruch, all die Erinnerungen –? Ich weiß ja erst richtig, seit ich mit Peter hause, wie sie mich immer gegängelt und bevormundet hat … Alles, was sie wollte, war gut; jeder Freund,den ich mir aussuchte, taugte nichts. Und nun dieser aufdringliche Empfang … Jawohl, ich habe es längst gesehen: dort auf dem Schreibtisch liegt schon wieder ein Zettel. Und über dem Stuhl hängen der frisch gebügelte Zivilanzug und die Wäsche. Ein seidenes Oberhemd, in das sie natürlich auch schon die Knöpfe gesteckt hat …
    Er macht sich seine dritte Schrippe zurecht, es schmeckt ausgezeichnet. Der Kaffee ist stark und milde zugleich, sein voller Geschmack erfüllt sanft die ganze Mundhöhle. Etwas anderes als das flaue und doch krätzige Gebräu der Pottmadamm. (Ob Peter jetzt auch Kaffee trinkt? Hat sie natürlich längst hinter sich! Vielleicht Nachmittagskaffee!)
    Während Wolfgang Pagel sich behaglich auf die Chaiselongue streckt, versucht er zu erraten, was da auf dem Zettel stehen könnte. Natürlich irgend etwas wie: Den Schlips mußt Du Dir selbst aussuchen, sie hängen an der Innenseite der Schranktür. Oder: Badewasser ist heiß.
    Natürlich, so etwas wird draufstehen, und wie er nun doch nachsieht, liest er, daß der Badeofen geheizt ist. Ärgerlich schiebt er den einen zerknüllten Zettel zum andern. Daß er die Mutter so gut erraten hat, freut ihn nicht, es macht ihn nur noch ärgerlicher.
    Natürlich, denkt er, kann ich sie so gut erraten, weil ich sie so gut kenne. Besitzergreifung, Bevormundung. Immer, wenn ich aus der Schule kam, mußte ich sofort die Hände waschen und einen frischen Kragen umbinden. Ich war ja mit den »andern« zusammen gewesen – wir aber waren anders, besser! Es ist eine glatte Frechheit gegen mich, aber vor allem gegen Peter, die sich die Mama da wieder mal ausgedacht hat! Diesmal genügt ihr Umziehen nicht, ich muß auch noch baden! Ich bin ja mit so einer zusammen gewesen, der Mama glatt eine Schelle gehauen hat! Frechheit – dies lasse ich mir aber nun doch nicht gefallen!
    Er starrt wütend sein Jugendzimmer an mit dem

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