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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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gelbbirkenen Schreibtischchen, den birkenen Bücherregalen, vor denen halb ein dunkelgrüner seidener Vorhang hängt. Dasbirkene Bett schimmert wie Silber und Gold. Licht, Freude – es stehen ja auch Bäume vor dem Fenster, alte Bäume. Alles ist so aufgeräumt, so sauber, so frisch – wenn man an die Thumannsche Höhle denkt, entdeckt man sofort, warum dies alles so adrett und parat gehalten wird. Der Herr Sohn soll vergleichen: so hast du es bei diesem Mädchen, hier aber sorgt für dich deine treu liebende Mutter! Glatte Frechheit und Herausforderung!
    Halt! sagt er wieder und versucht, sich zu bremsen. Halt! Du läufst mit dir selber fort. Die Pferde gehen dir durch. Manches stimmt, Blumen und Zettel sind ekelhaft, aber das Zimmer hat nie anders ausgesehen. Warum bin ich also so wütend? Weil ich daran denken mußte, daß Mama den Peter geohrfeigt hat? I wo, so was muß man bei Mama nicht tragisch nehmen, und Peter hat es auch nicht einen Augenblick tragisch genommen. Es muß etwas anderes sein …
    Er tritt ans Fenster. Ferner stehen die Nachbarhäuser, man sieht hier den Himmel. Und wirklich, hoch am Horizont aufgehäuft, liegen schwarze, geduckte Wolken. Das Licht ist fahl, kein Wind rührt sich, kein Blatt bewegt sich am Baum. Auf dem Mansardendach drüben sieht er ein paar Spatzen sitzen, die streitlustigen Gesellen hocken aufgeplustert, regungslos dort, auch sie schon geduckt unter der nahen Drohung des Himmels.
    Ich muß schnell sehen, daß ich weiterkomme, denkt er. Mit dem Bild unter dem Arm durch ein Gewitter zu laufen wäre nicht angenehm …
    Und plötzlich weiß er es. Er sieht sich mit dem Bild, das in irgendein schon benutztes Packpapier geschlagen ist, durch die Straßen zu dem Kunsthändler laufen. Nicht einmal eine Taxe kann er sich leisten. Ein Millionen-, vielleicht ein Milliardenobjekt, aber unter den Arm geklemmt, wie ein Dieb! Heimlich, wie ein Säufer seiner Frau die Betten heimlich aus dem Hause trägt zum »Onkel«.
    Aber es ist mein Eigentum, wendet er sich ein. Ich brauche mich nicht zu schämen!
    Ich schäme mich doch, sagt er. Es ist nicht recht.
    Wieso ist es nicht recht? Sie hat es mir geschenkt!
    Du weißt genau, wie sehr sie an diesem Bild hängt. Darum hat sie es dir ja geschenkt, sie wollte dich noch fester an sich binden. Du wirst sie tödlich verletzen, nimmst du es ihr fort.
    Dann mußte sie es mir eben nicht schenken. Nun kann ich damit tun, was ich will.
    Es ist dir schon öfter schlecht gegangen. Du hast schon öfter an diesen Verkauf gedacht und hast es doch nie getan.
    Weil es uns noch nie so schlecht ging. Jetzt ist es eben soweit.
    So, ist es das? Wie finden denn andere heraus, die so etwas nicht in Reserve haben?
    Andere hätten es nicht soweit kommen lassen. Andere hätten nicht alles gleichgültig treiben lassen, bis es ganz schlecht ging. Andere hätten nicht als letzten Ausweg die Mutter verletzt, um der Geliebten Brot zu geben. Andere hätten nicht bedenkenlos gespielt – bedenkenlos, weil das Bild als Reserve da war. Andere hätten sich beizeiten nach Arbeit umgesehen und hätten Geld
verdient
. Andere wären nicht gleichgültig versetzen, pumpen und betteln gegangen. Andere hätten nicht von einem Mädchen nur genommen und genommen, ohne sich je den Gedanken zu machen: Was gibst du?
    Der Himmel ist jetzt höher hinauf schwarz. Vielleicht wetterleuchtet es da hinten bereits, man sieht es nicht durch den Dunst. Vielleicht grummelt auch schon ferne der Donner, aber man hört ihn nicht. Es donnert, zischt und schreit noch lauter die Stadt.
    Du bist feige, sagt es. Arm bist du, vertrocknet mit dreiundzwanzig Jahren. Es war alles da für dich, Liebe und sanfte Sorge, du aber liefest davon. Gewiß, gewiß, du bist jung. Jugend ist ruhelos, Jugend fürchtet sich vor dem Glück, sie will das Glück gar nicht. Denn Glück heißt Ruhe, und Jugend ist ruhelos. Aber wohin bist du gelaufen? Bist du denn zu der Jugend gelaufen? Nein, grade dorthin, wodie Alten sitzen, die den Stachel des Fleisches nicht mehr spüren, die keinen Hunger mehr haben … in die schwelende, trockene Sandwüste der künstlichen Leidenschaften liefest du – schwelend, trocken, künstlich – unjung!
    Feige bist du! Jetzt sollst du dich einmal entscheiden. Schon stehst du und zauderst. Du willst die Mutter nicht verletzen und doch dem Peter helfen. Ach, am liebsten wäre es dir, wenn dich die Mutter bitten würde, inständig, mit aufgehobenen Händen bitten würde, doch ja das Bild zu verkaufen.

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