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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ambros
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das Telefon in meine geistige Beschäftigung mit der Zukunft hinein und der Joesi sagt: »Ich bin gerade am Zentralfriedhof vorbeigefahren.«
    Super, denk ich mir, das brauch ich jetzt. Dem Joesi seine Hirnwichsereien, wenn er von einer Nacht mit einem Weiberleut kommt, in Simmering in der Straßenbahn sitzt und an einer kilometerlangen Friedhofsmauer entlangfährt.
    »Stell dir vor«, sagt er, »was da über dem Haupteingang steht.«
    »Na«, frag ich, »was denn?«
    »Hundert Jahre Zentralfriedhof. Die Toten feiern Geburtstag. Wahnsinn, oder?«
    Am Nachmittag ruft er wieder an und liest mir vor, was ihm dazu eingefallen ist. Ich schreib mir das sofort auf, probiere ein paar Dinge auf der Gitarre aus und rufe ihn gleich wieder zurück. Nicht, weil mich ein musikalischer Geistesblitz ereilte, sondern weil der Joesi nicht das leiseste Gefühl für das Versmaß zu einem Lied hat. Bis heute schreibt er Sachen, wo sich nichts ausgeht mit der Musik und immer etwas nachzujustieren ist. In dem Fall erledigen wir das ruckzuck am Telefon.
    Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Tot’n,
    da Eintritt is für Lebende heut ausnahmslos verbot’n.
    Weu da Tod a Fest heut gibt, die ganze lange Nacht,
    und von die Gäst ka anziger a Eintrittskarten braucht …
    »Und da bild ich mir so ein Bumm-bumm-bumm ein, verstehst?«
    Wanns Nacht wird über Simmering, kummt Leb’n in die Tot’n …
    »Pass auf, hier müsst’ jetzt ein schönes, sattes G her.«
    Durt hint’n bei der Marmorgruft, durt stehngan zwa Skelette …
    »So müsste das aufgehen.«
    Die stess’n mit zwa Urnen an und saufen um die Wette …
    »Und jetzt der Refrain.«
    Am Zentralfriedhof ist Stimmung, wia’s sein Lebtag no net war,
    weu alle Tot’n feiern heute seine ersten hundert Jahr.
    Am nächsten Tag war die Nummer fertig. Ein wahnwitziger Text, eine spektakuläre Komposition, ein blind eingespieltes Duo. Was herauskam, war ziemlich gewagt in einer Stadt wie Wien, wo man keinen Spaß mit dem Tod versteht, in einem Land wie Österreich, wo man sich vor allem bekreuzigte, was nicht katholisch war, und einer Zeit wie damals, da man für die Scheinheiligen gestorben war, wenn man die Pfaffen verunglimpfte. Es lebe der Zentralfriedhof, die Szene wirkt makaber, de Pfarrer tanz’n mit de Hurn und Judn mit Araber. Wir waren sehr zufrieden mit uns.
    Ich begab mich schnurstracks zum Herrn Kolonovits, der dasGanze mit seinen Glocken und seinem Flugzeuglärm garnierte. Und dann verfielen wir in einen richtigen Schreibrausch. Ein Lied nach dem anderen ist uns herausgeflossen. Die Kinettn, wo i schlaf, Wem heut net schlecht is, I glaub i geh jetzt und was sonst noch drauf ist auf dem Album. Alles wie aus einem Guss. Da war er, der Wurf, auf den ich gewartet hatte, ich habe gespürt, da entsteht Großes.
    Innerhalb kürzester Zeit waren wir schon wieder im Studio beim Peter Müller und über eine neue Kolonovits-Verbindung auch bei Frank Farian, dem Erfinder von Boney M. und Besitzer des Europa-Sound-Studios in Offenbach, wo man die noch bessere Technik hatte. Zwischendurch trippelte uns irrtümlich eine alte Frau mit ihrem Hund durchs Foto fürs Cover, für das ich mich im langen schwarzen Mantel vor eine Ziegelwand in Favoriten gestellt hatte. Ihr Fauxpas gefiel uns so gut, dass der Fotograf sie bat, noch zweimal durchzutänzeln, ich schrieb mit der Hand schön Es lebe der Zentralfriedhof drauf, und da lag es vor uns, das Album. Von jenem gemütstrüben Vormittag, an dem mir genau so eine Platte gefehlt hatte, bis zur endgültigen Fertigstellung sind keine zwei Monate vergangen. Am allerletzten Drücker, kurz vor Weihnachten, koppelten wir Zwickt’s mi aus. Im Jänner war die Single ein Riesenhit und sogar die LP Nummer eins ins Österreich.
    Wir sind hoch geflogen Mitte der Siebziger, sehr hoch. Mit Zwickt’s mi bin ich zum ersten Mal in der ZDF-Hitparade aufgetreten. Die Gigs mit Abadie sind explodiert und hübsch teurer geworden. Und mit dem Georg Danzer, der schon für unser Selbstmord-Musical, das sogenannte Trauergschbüh Karli, das Lied Heite drah i mi ham geschrieben hatte, spielte ich unplugged und für die damals sensationelle Gage von fünfzigtausend Schilling auf der Bühne des Konzerthauses. Überhaupt hatten wir das Gefühl, wir schwimmen im Geld. Alle sechs Monate ist von der Plattenfirma abgerechnet worden, die AKM schüttete permanent Kohle über uns aus, wir konnten uns unmöglich einen Stillstand leisten. Hoppauf, hieß es, nächste Platte.
    Auf

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