Wolfgang Ambros - Die Biografie
Blondine entdeckt, die mir ausnehmend gut gefiel. Dass ich hier mit Margit Cermak erstmals meines über die nächsten zwei Jahrzehnte andauernden Privatlebens ansichtig wurde, war mir nicht bewusst. Sie hing am Hals von Rene Reitz, dem ich schon die Hofa -Rechte neidig war. Die Freiheiten, die man haben will, muss man sich nehmen, davon war ich immer überzeugt. Trotzdem habe ich sie nicht angesprochen. Möglicherweise war ich mit Freiheiten gerade etwas verwöhnt.
Am meisten von Branko Zivanovic, der mir die Freiheit des Narren gelassen hat. Egal, was uns auch einfiel, er sagte: »Macht’s halt.« Nicht, weil er seine unerschütterliche Äußerung, alles, was wir angriffen, werde tatsächlich zu Gold, auch immer geglaubt hätte, sondern weil er zu wenig von unserer Arbeit verstand. Imwörtlichen Sinne, er war aus Belgrad, für ihn hat alles gleich geklungen. Auf die Art kamen wir in den Genuss eines künstlerischen Persilscheins. Bis dahin hat man uns ein Budget bewilligt, und mehr durfte eine Platte nicht kosten.
Beim Branko durften wir, was wir wollten, er hat alles mitgemacht. Später sogar Dinge wie Ach wie staubig ist mein Hemd, ein von mir produziertes Werk, mit dem sich Tauchen und Prokopetz verewigten, wobei ich nicht verschweigen will, dass der Joesi keinen geraden Satz singen kann. Im Gegensatz zum Grafen Friedberg stimmte der Branko auch sofort dem Vorschlag zu, den Watzmann, den wir in der Zwischenzeit um eine Gailtalerin und andere kranke Einsprengsel erweitert hatten, auf Albumlänge auszubauen. Vierzig Minuten dauerte der Spaß, jede einzelne davon entstand unter unfassbarem Gelächter. Und Branko war dabei nicht der Einzige, der uns nicht verstand.
Wir waren am Gipfel der Abgehobenheit. Kein normales Wort rutschte uns mehr aus dem Mund, egal, was und zu wem es gesagt wurde, es war Watzmann- Sprache. Jeder von uns war eine Kehle von Mensch, der von unterhalb des Adamsapfels heraufbellte. Tiefstes Bergfex auf höchstem Niveau. Ein Jahr lang haben wir gar nicht mehr anders reden können. Und dazu haben wir Geräusche eingeholt. Mit dem Peter Müller und seinem kleinen Studer-Tonbandgerät fuhr ich eigens nach Wolfsgraben, wir legten uns auf die Lauer, um Vogelgezwitscher aufzunehmen. Kühe waren unsere Back Vocals. Vorn haben sie gemuht, hinten der Natur freien Lauf gelassen, so authentisch wollten wir’s gar nicht haben. Der Christian Kolonovits arrangierte das alles zu einem Sound, der bis heute nicht getoppt worden ist. Ein unvergleichlicher Mix aus Dramatik und Scheiß-mi-nix.
Bevor der Christian zu uns gestoßen ist, hatten wir die Lieder so irgendwie eingespielt. Der Richard Schönherz hat den Soundteppich für uns ausgebreitet, aber mein erster richtiger Producer war der Herr Kolonovits. Nicht zu verwechseln mit dem Executive Producer, das war immer der Geldgeber, zu der Zeit eben die Bellaphon als unsere Plattenfirma. Und aufgenommen haben wirim Studio des Peter Müller. Ich habe gesungen, die Band hat so lange gespielt, bis alles drauf war, und dann legte sich der Müller die Instrumente mit der Stereotechnik auseinander. Im Schneiden war er ein Genie, er fuhrwerkte in einer Nummer hin und her, schnitt dort was ab, setzte da was hinein und pickte alles wieder zusammen. Der gesamte Watzmann entstand noch auf diese kernige Art. Es war ja ein rustikales Musical, ein Rustikal.
Mit der hochmodernen Achtspurmaschine, die sich das Soundmill-Studio unseres anhaltenden Erfolgs wegen samt Mischpult leisten konnte, haben sich ganz andere Möglichkeiten aufgetan. Die Spuren ließen sich einzeln aufnehmen und ich konnte doppelt singen. Wir waren der Zeit weit voraus, zumindest in Österreich, viel weiter konnte ich auch nicht schauen. In dem Punkt war meine Freiheit beschränkt.
Wir hatten überdurchschnittliche Plattenverkäufe vorzuweisen. Wir haben alle miteinander gut verdient. Wir waren präsent. Wir konnten zufrieden sein.
Leser: »Aber?«
Es war bloß ein Gedanke mit ganz feinen Stacheln, der mich daran erinnerte, dass mir schon wieder einmal irgendwas fehlte zu meinem Glück. Ich hätte gern eine Platte gemacht wie die erste. Etwas Makaberes. Etwas nie Gehörtes. Etwas, wo alle die Ohren aufstellen. Der Watzmann war schon in Ordnung, aber doch eine Extravaganz, die wir uns erlaubt haben. Eine Übergangslösung zum großen Wurf, zu dem ich derzeit nicht mehr beitrug, als auszuholen.
Und während ich so grüble an einem gemütstrüben Vormittag bei mir daheim in der Leibnitzgasse, läutet
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