Wolfgang Ambros - Die Biografie
nicht genau, ob da etwas ist oder nicht. Hier können wir das aber nicht feststellen, deswegen schicken wir Sie weiter.«
Man kann sich vielleicht vorstellen, was ich für eine Nacht hatte. Überall Schatten. Krebs. Geschwüre. Wucherungen. Dinge, die man herausschneiden muss. Rostige Skalpelle. Scheren, die man im Magen vergisst. Unabsichtliche Amputationen. Wenn ich den Dizi erwisch!
Am nächsten Tag waren sie sehr zuvorkommend im Allgemeinen Krankenhaus. War ja auch ein ganz normales Spital mit einer Art von Kommunikation, die ich nicht mehr gewohnt war. Kommen Sie bitte mit. Bitte! Würden Sie sich hierher legen. Würden! Dann haben sie mir links und rechts die Schlagadern aufgeschnitten.
Das Blut schießt aus dem Oberschenkel bis rauf zu den Lampen. Irgendwas stecken sie mir rein, machen wieder zu, pressen ein Hochdruckmittel durch und fotografieren das alles, wozu, weiß ich nicht. Vorher haben sie mich so niedergespritzt, dass ich neben den Schuhen gestanden bin. Nachher will der Doktor mit wehendem Kittel raus und ist schon fast ums Eck, da schrei ich ihm nach: »Hören S’, was ist denn mit mir?«
Hält er inne, dreht sich um und lächelt. »Ach ja«, sagt er, »Sie haben nur eine Niere.«
»WAS habe ich?«
»Ja, es ist eine Einzelniere. Haben Sie von Geburt an. Das kommt vor, nicht sehr häufig, aber doch. Ist an sich kein Problem. Sie können gut damit leben.«
Sie können gut leben damit? »Und was geschieht jetzt mit mir?«
»So, wie ich das sehe, werden Sie wahrscheinlich abrüsten.« Flupp, draußen war er bei der Tür. Zwei Tage musste ich zur Beobachtung im AKH bleiben, dann bekam ich ein Attest und, flupp, war ich draußen bei der Tür.
Wieder in der Albrechts-Kaserne, hat der Garnisonsarzt in der Krankenstation meine Krankenakte gelesen, einen Schädel wie glühende Kohle gekriegt und mich angeschrien: »OB SIE ABRÜSTEN ODER NICHT, BESTIMME IMMER NOCH ICH!« Ich hatte nicht einmal ein Wort gesagt gehabt. Seine Gesichtsfarbe veränderte sich ungesund schnell, von purpurfarben auf totenblass. »Gehen Sie aufs Quartier!« Den Befehl hat er nur mehr gehaucht.
Am selben Nachmittag fiel das Wort, auf das ich so hingearbeitet hatte. Abrüsten. Kurz darauf stand ich mit meinem Köfferlein in der Hand und meiner einsamen Niere im Unterleib auf der Straße und wusste nicht, wie mir geschieht. Meine Bilanz: Ich hatte zwar ein Organ weniger, aber auch nur dreieinhalb Monate Wehrdienst und als Draufgabe noch ein neues Lied. Tagwache durfte im Radio nicht gespielt werden, mauserte sich aber vom Undergroundhit zur ewigen Hymne der Abrüster.
Und mit mir ging’s flugs weiter von der Faust im Nacken zum Fäustling. Unser Festwochen-Mann Ullrich Baumgartner spürte wieder seinen Jagdinstinkt in sich und gab uns zu verstehen, dass man sich aufgrund des großen Erfolgs mit dem Watzmann wieder einen Irrsinn für sein nächstes Gegenfestival zu den Festwochen einfallen lassen könnte. Der Joesi hatte die Idee, wir machen den Fäustling. Er ließ gern den Belesenen heraushängen: »Den Faust kennst du, das ist kein deutscher Boxer, das ist von Goethe. Und wir machen einen kleinen Faust. « Das Werk hatte er schon ziemlich fertig, er konnte es gewissermaßen aus der Tasche ziehen, unser allererstes Stück.
Es nahm sich wunderbar aus in unseren Köpfen und auf dem Papier, als Inszenierung war es eine Murkserei, ohne eine Ahnung auf die Bühne vom Zwanzgerhaus gestellt. Unsere zweite Festwochen-Produktion lief dann auch mit enden wollendem Erfolg.Erst als Aufzeichnung wurde sie Kult. Nachgerade deshalb, weil es das Einzige von mir ist, was es nicht auf CD, sondern nur auf Vinyl gibt, auf eBay wird es gehandelt wie Gold.
Als Band für den Fäustling engagierte ich die Schmetterlinge, die auf meinem ersten Album schon Chor gesungen hatten. Und mit ihnen flatterte Christian Kolonovits in mein Leben, der als Keyboarder gerade frisch zu den Schmetterlingen gestoßen war. Wir verstanden uns auf einen Schlag, auf den zweiten war er mein musikalischer Leiter.
Es war überhaupt die Zeit der großen Begegnungen. Wir befanden uns gerade in der kreativen Phase für das zweite Album und klopften die Lieder im Akkord raus, während Johann Hausner, mein Manager, seinerseits einen gewissen Gunter Zitha kennenlernte, den Repräsentanten der damals brandneuen Bellaphon Österreich. Die zwei redeten sich zusammen und kamen überein, dass unser Potenzial riesig und die Konditionen der Amadeo indiskutabel seien. Unmittelbar
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