Wolfgang Ambros - Die Biografie
möglich war, in der Meierei zu spielen. Akupunktur, Zaubertrank, Wunderheilung, Voodoo, irgendwelche Wurzeln, scheiß drauf. Hauptsache, ich kann gerade auf der Bühne stehen.
Zwei Stunden musste ich meine Hände auf seltsame Platten legen, er klopfte mich mit seinen Wasserln ab und gab mir seine Kugerln zum Schlucken. Zum Schluss sagte er: »Du wirst sehr bald sehr müde werden. Morgen rufst du mich noch einmal an, dann schauen wir, was wir noch machen können.«
Vor mir lagen achtzehn Stunden im Fegefeuer. Ab zehn Uhr am Vormittag hatte ich die ersten Interviews, Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen und am Abend den Auftritt. Man sprach mich drauf an, dass ich so abgemagert war, ausgedürrt nannte es der Joesi, der sich um mich Sorgen machte. Ich hatte sechs Kilo verloren binnen kürzester Zeit, das war mir gar nicht aufgefallen. Ab Mittag ging es mir etwas besser. Am Nachmittag fühlte ich mich fast wohl. Den Abend brachte ich souverän über die Bühne.
Alles in allem hat sich die Malaria zwei Monate mit mir vergnügt. In den folgenden Jahren hab ich sie noch ein paar Mal bekommen. Ich kann nur jedem raten: Hau dir vor jeder Afrikareise auf jeden Fall diese Malarone-Tabletten rein, dann ersparst du dir viel. Beim ersten Mal denkst du, du krepierst. Beim zweiten Mal schreckst du dich nur mehr, herrje, schon wieder. Beim dritten Mal bist du angefressen. Und ab da begrüßt du die Malaria wie eine alte Freundin aus längst vergessenen Tagen. Servus, du Drecksau, lange nicht gesehen.
Ich hatte wieder Kraft, ich wollte wieder aufs Gas steigen. Die Neunziger waren vorbei und der Markus Spiegel hatte eine Idee, mit der sich das neue Jahrtausend einläuten ließe. Der Falco-Entdecker und langjährige Besitzer des Independent-Labels GIG-Records regte an, ich solle mir Tom Waits zur Brust nehmen, den bei den Mainstream-Medien beliebtesten Musiker jenseits des Mainstreams. Es war nicht so wie einst bei Bob Dylan, ich war vorherkein ausgewiesener Waits-Fan. Aber das Projekt interessierte mich, die Waits’sche Poesie, sein Genie und seine Klangkunst ins Wienerische zu übersetzen.
Ich dachte mir, nach mir die Sintflut, und so hieß das Album, an dem ich im Stillen arbeitete, dann auch: Nach mir die Sintflut – Ambros singt Waits. Der Christian Kolonovits hat sich darauf gestürzt, es zu arrangieren und zu produzieren. Am 7. Mai 2001 stellten wir es im Raimund Theater auf die Bühne.
Der Christian hatte mir an die fünfzig Waits-Titel vorgeschlagen, ich habe mir die ausgesucht, die mir lagen. Aus Big in Japan wurde Groß in Kagran, bei Tom Waits ist Romeo bleeding, bei mir verliert er Bluat. Und ich nahm eigene Lieder dazu und sang zum Beispiel eine Jazz-Version der Blume aus dem Gemeindebau. Meine Stimme spielt sich ziemlich weit unten ab, bis zum Bauch, und manchmal geht sie ins Schreien über, sie passte gut zu Tom Waits.
Im neuen Jahrtausend fühlte man sich bemüßigt, mich zu feiern. Dreißig Jahre stand ich auf der Bühne, mit neunundvierzig Jahren sah man in mir eine musikalische Legende. Na ja. Ich zog ganz einfach Bilanz. Fünf Millionen verkaufte Tonträger. Zwanzig Studioalben. Mehr als vierzig Compilations. An die zweitausend Live-Auftritte. Wir haben dem Album den Titel Hoffnungslos selbstbewusst verpasst, eine Kreation vom Joesi, wenn ich mich recht erinnere. Kann man schon stehen lassen. Wenn ich an etwas glaube, dann mache ich es. Nicht halb. Nicht, so gut es geht. Ich mache es einfach. Und wenn da eine Wand ist, renn ich mit dem Schädel drauflos. Bisher hat immer die Wand nachgegeben.
Ich trat mit Austria 3 auf, parallel dazu mit der No. 1 vom Wienerwald. In Österreich und Deutschland. Mit dem Georg Danzer und dem Rainhard Fendrich arbeiteten wir an einem Filmprojekt mir dem poetischen Titel G.U.SCH. Mein Fünfziger brachte mir allerlei Würdigungen ein, die heute hinter Glas stehen. Das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien hat mir der Bürgermeister Michael Häupl in die Hand gedrückt, alles Gute, die Stadt kann stolz auf mich sein. Ein paar Wochen danach haben sie mir den Amadeus Award für mein Lebenswerk überreicht,alles Gute, die Musikindustrie kann stolz auf mich sein. Danke, sagte ich, ich hoffe, dass mein Lebenswerk noch nicht vollendet ist. Ich würde es liebend gerne vervollständigen. Im Mai 2003 eröffneten der Georg, der Rainhard und ich das dritte Seniorenwohnheim für körperbehinderte Obdachlose in der Esslinger Hauptstraße 9 im 22. Wiener Gemeindebezirk. Die
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