Wolfgang Ambros - Die Biografie
Nacht meines Lebens. Die Schwester, eines der wenigen herzlichen Geschöpfe, kommt zu mir und weiß, wie es mir geht: »You feel like dying, hm?«
»Ja«, stöhne ich, »ich hoffe, ich überlebe es.«
Langsam wirkt das Chinin. Ich überstehe die Nacht und kann an meinen Flieger denken, der am nächsten Tag geht. Ich lasse den Arzt wissen, dass ich am Nachmittag auschecken werde. Er will mich drei Tage im Krankenhaus behalten, jetzt, wo die Versicherungsmodalitäten so schön geregelt sind. Er will mich um teures Geld beobachten.
Ich nehme das bisschen Kraft zusammen, das ich jetzt wieder in mir habe, und stelle mich auf die Beine: »Wissen Sie was, egal, was Sie sagen, ich fliege jetzt heim nach Kenia, weil sie dort wissen, wie man mit der Sache umgeht.« Ich bin wieder so weit, dass ich mir das zutraue. Was für ein Mut.
Aber ich habe recht behalten. Die Margit und ich sitzen planmäßig im Flugzeug, ein paar Stunden später bin ich in Mombasa, gegen Mitternacht bin ich daheim in meinem Haus am Diani Beach. Auf der Terrasse beim Thomas Sollacher sitzen zwei Leute, die ich auch kenne, der eine ein hoch dekorierter Gynäkologe aus Österreich, der andere ein Polizist. Beide schauen mich an, als wäre ich ein Geist, der ihnen irgendwie bekannt vorkommt.
»Wolfgang?«, fragt der Gynäkologe.
»Wolfgang?«, fragt der Polizist.
»Ja«, sage ich, »ich habe Malaria, ich komm direkt aus Johannesburg und möchte nur ins Bett.«
Der Gynäkologe schaut mich an. »Weißt du, wie es dir kurzfristig besser geht?«, fragt er und hält mir eine Trompete hin. »Rauch das.«
Ich denk mir, was kann jetzt noch sein, und dampf einen, wie der Arzt es verschrieben hat. Als Medizin. Und tatsächlich, innerhalb von einer halben Stunde bin ich wieder unter den Lebenden. Das matte, bamstige Gefühl, das mich über Tage begleitet hat, ist wie weggeblasen.
Am nächsten Tag fahre ich ohne Umwege ins Spital. Malaria ist in Mombasa so was wie Heuschnupfen bei uns, man gibt mir eine Spritze und zwei Tage später bin ich wieder auf dem Damm. Vor lauter Freude bin ich gleich Golf spielen gegangen.
Eine Woche hatte ich noch Urlaub, und die wollte ich nutzen.Jetzt, wo ich geheilt war, fühlte ich mich wie der Tiger Woods von Diani Beach. War natürlich ein Trugschluss, nicht nur, was das Golfen betrifft. Malaria ist heimtückisch. Malaria wirst du nicht so schnell los. Malaria kommt immer wieder und immer durch die Hintertür. Du wirst die Symptome los, die Müdigkeit, das Fieber, aber die Malaria bleibt dir. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie dich wieder besucht.
Bei mir war es an einem prachtvollen Tag in Tirol, an dem ich mir als Abwechslung zum Skifahren die Langlaufbretter angeschnallt habe. In der Nacht darauf fühlte ich mich wie erschlagen. Ich steckte mir das Fieberthermometer unter die Achsel. Neununddreißig zwei. Meine Freundin Malaria war wieder da.
Im Krankenhaus von St. Johann dachten sie, ich wolle sie verarschen. Ich kenne die Ärzte dort gut, man kann mit allem zu ihnen kommen, was man sich in einem österreichischen Winter zuziehen kann. Eine Tropenkrankheit fällt nicht unbedingt in ihr Gebiet. »Malaria, ach so«, sagten sie, ansonsten waren sie ratlos. Weil ich bereits gegen Malaria behandelt worden war, konnten sie in meinem Blut keine Erreger mehr feststellen. Die Medikamente hatten die Plasmodien zwar gekillt, aber nicht die Krankheit. Die Diagnose in St. Johann lautete: Ich war eindeutig krank, keine Frage, aber ihren Untersuchungen nach war es nicht Malaria. Ein Serum kam nicht mehr infrage, sie gaben mir irgendwas anderes, alle zwei Tage musste ich zur Kontrolle.
So nebenbei musste aber auch eine Platte fertig werden, Wasserfall. Und wir haben uns eingebildet, sie in der Meierei im Wiener Stadtpark zu präsentieren, live, und wir spielten die ganze Platte. Heute würde mir so was nicht mehr einfallen, damals war das State of the Art. Es war die letzte Platte für die Firma Universal und wir wollten uns keine Blöße geben. Jeden Tag haben wir geprobt, die Band und ich, drei Stunden lang.
Leser: »Mit der Malaria als Hintergrundstimme.«
Sozusagen, und jeden Tag ist sie ein bisschen lauter geworden und hat mich ein bisschen mehr übertönt, bis ich einen Tag vor der Präsentation einen Ganzheitsmediziner in Purkersdorf konsultierthabe, den Wolfgang Grünzweig. Übrigens auch ein Musiker, er hat in der Band vom Ostbahn-Kurti gespielt. Ich fragte ihn, ob er mich so weit herrichten könnte, dass es mir
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