Wolfgang Ambros - Die Biografie
– in meinem Fall auf nur eine. Wie ich mir den Beipackzettel durchlese, wird mir gleich noch schlechter, also sage ich zur Margit: »So, Aufbruch. Wir müssen nach Johannesburg, um alles in der Welt und so schnell es geht.«
Die Malaria ist unersättlich, sie verbreitet sich mit rasender Geschwindigkeit. Alle sechs Stunden verdoppelt sich die Menge der Plasmodien und die fressen dich von innen auf, konkret deine roten Blutkörperchen. Wenn du sie bei dieser Völlerei nicht unterbrichst, bleibt dir nach zwei Tagen das Herz stehen. Die Lariam-Tabletten können das hinauszögern. Ich schlucke gleich noch einmal drei und klemme mich hinters Steuer, weil die Margit mit diesem Wagen nicht fahren kann. Sie ist zu klein für das Trumm, ihre Beine reichen nicht bis zu den Pedalen.
Ich halte das Auto auf der Straße, die Malaria in den Knochenund voll auf Tabletten. Irgendwo halten wir und schlafen noch einmal. Kurzfristig geht es mir besser. Ich schiebe noch zwei Pulver nach und setze mich wieder ans Steuer. Nach hundert Jahren sehe ich am Nachmittag das Schild: Johannesburg. Die Stadt der Rettung.
Habe ich geglaubt. Ich checke im Hilton am Flughafen ein, das Hotel, das ich gebucht habe. »Mistah Ambros«, sagt mir die Rezeptionistin, »sie sind zwei Tage zu früh dran.«
Ich erkläre der Dame, dass ich kein Gast bin, sondern todkrank. Ich habe Malaria. Ich brauche sofort Hilfe. »Kann mir bitte irgendwer in diesem Hotel einen Arzt holen?«
»Ja, ja«, sagt die Mitleidlosigkeit mit dem zurückgekämmten Haar, »da müssen Sie dort vorne durch den Ausgang und weiter zum Flughafengelände.« Wäre ich mit einem Röcheln vor ihr tot zusammengebrochen, hätte sie mich gefragt, ob das nicht leiser ginge.
Johannesburg ist kein kleiner Flughafen. Ich winke ein Taxi herbei und keuche dem Fahrer das Wort »Ambulanz« ins Genick. Er nickt und bringt mich in einer großen Schleife ums Gelände zu einem Stand, von dem man nicht weiß, ob er medizinische Hilfe anbietet oder Autos vermietet. Hinter dem Schalter breitet sich eine hundertvierzig Kilo schwere Frau aus. »Ich brauche Hilfe«, bitte ich, »ich habe Malaria.«
Das Gebilde aus fettem Fleisch und kaltem Blut sagt: »Ah, dann müssen Sie ins Spital.«
»Gute Idee«, stimme ich zu, »sagen Sie mir ein Krankenhaus, Ma’m, vielleicht können Sie mich telefonisch anmelden.«
»Dafür bin ich nicht zuständig.« Sie überlegt kurz, wahrscheinlich, was sie in der Mittagspause essen wird, und schiebt mir einen Zettel mit einer Adresse hin.
Ich nehme ein Taxi ins Hospital. Wie ich ankomme, bin ich kurz vorm Verrecken. Mit letzter Kraft schaffe ich es zur Notaufnahme, kalter Schweiß rinnt mir über die Schläfen. »Ich habe Malaria«, sage ich.
Die Frau in Weiß blickt auf mich herab, als wäre sie drei Metergrößer. »Woher wollen Sie denn das wissen?«, fragt sie. »Das muss der Doktor feststellen.«
»Genau«, sage ich, »wo ist denn einer?«
Als hätte ich gar nichts gesagt, will sie meine Versicherungsnummer wissen, wie ich heiße, wo ich herkomme, warum ich ausgerechnet hier hereinplatze. Die Mühlen der Bürokratie zermalmen meine Zeit. Ich habe höchstens noch ein paar Stunden und irre durch ein Labyrinth aus Anträgen, Formularen und Bestimmungen.
Nach einer Stunde kommt ein Schwarzer im weißen Kittel daher. Ich bettle ihn an, er möge mir Blut abzapfen und es auf Malariaerreger testen. »Bitte«, flehe ich, »machen Sie das, bitte! Ich spüre, dass ich sehr krank bin.«
Es liegt keine Anteilnahme in seinem Blick. Er steckt mir etwas in den Arm, nimmt die Blutprobe ab und verschwindet noch einmal für eine Stunde. Dann kommt er wieder und verkündet in einer Art, als hätte er ein Mittel gegen Krebs erfunden: »But you have the Malaria!«
»Was du nicht sagst.«
Bevor er mich weiterlotst, erkundigt er sich noch bei der Aufnahme, ob meine Versicherungskarte und meine Visa-Karte in Ordnung seien, so viel Zeit muss sein.
Ich kann nicht mehr gehen. Sie tragen mich fast ins Behandlungszimmer. Der Arzt gibt mir eine Spritze, dass ich denke, mein Magen stülpt sich um. »Es ist ein Mittel«, sagt der Doktor, »damit Sie wieder zu Kräften kommen.«
Mir ist schon alles wurscht. Sie rollen mich in ein Krankenzimmer, hängen mich an einen Tropf und spülen mir Chinin in die Blutbahn. Heute gibt es ein neues Medikament aus China, das aus Agaven und einer Kaktusart gewonnen wird und überhaupt keine Nebenwirkungen hat. Das, was sie mir hineinschießen, bereitet mir die
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