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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ambros
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möchte sofort eine Biopsie machen. Zwei Tage später ruft er mich wieder an, der Professor. Ich bin gerade am Weg nach Kaprun zu einem Konzert, da bittet er mich, noch einmal vorbeizukommen.
    »Das geht jetzt ganz schlecht«, sage ich, »ich sitze gerade im Auto, ich muss heute spielen.«
    »Na ja«, beharrt er, »es wäre schon wichtig.«
    Ich schau auf die Uhr, reiß das Lenkrad herum und gebe Gas. Im Krankenhaus in Hietzing renne ich durch den Flur, es riecht nach Desinfektionsmittel, aber es ist der Vorhof der Hölle. Im Zimmer des Professors kommt die Nachricht, die mich nicht überrascht. Bis sie jemand ausspricht.
    Der Professor lässt mich Platz nehmen. »Ich muss Ihnen das selber sagen. Sie sind voll mit Krebs. Alles. Jede Probe positiv.«
    Bis sie jemand ausspricht und zur tödlichen Gewissheit macht.
    Zehn von zehn Untersuchungen haben dasselbe Ergebnis gebracht. Positiv. Der Professor strahlt die Ruhe des Drachentöters aus. Er kennt das Problem, er kennt die Lösung. Ich höre seine Worte irgendwie gedämpft, manches lauter, anderes leiser.
    »… Ihnen auch sagen …«
    »… der Krebs ist im mittleren …«
    »… im nahezu fortgeschrittenen Stadium …«
    »… schon was überlegt …«
    »… operieren …«
    »… bestrahlen …«
    »… in den Griff kriegen …«
    Er hält inne. »Derweil brauchen Sie sich gar nichts zu denken. Für die nächsten drei Monate macht das keinen Unterschied.«
    Damit bin ich nach Kaprun gefahren. Operieren oder bestrahlen. Die zwei Möglichkeiten, die mir blieben. Die zwei Hörner des Teufels. Im Kopf kämpft die Resignation mit der Hoffnung. Du hast ein tolles Leben gehabt. Und gleich darauf. Du gibst nicht auf. Und dann wieder. So was kriegt man mit siebzig, wieso kriege ich das mit fünfundfünfzig. Und noch einmal zurück. Das Ding in dir wird nicht siegen. Der Krebs gewinnt nicht. Nicht im Körper, nicht im Hirn. Damit bin ich in Kaprun angekommen.
    Ich habe ein phänomenales Konzert gespielt. Wir haben noch was getrunken nachher, alles Gute und schöne Weihnachten. Alles wie immer. Ich wollte kein Mitleid. Ich habe niemandem etwas erzählt. Außer der Anne.
    »Anne«, sagte ich, »überleg dir das jetzt gut, ich ziehe michaugenblicklich zurück, weil ich ganz genau weiß, dass es nimmer so wird, wie es war. Und Kinder kriegen wir auch keine mehr.«
    Die Anne ist gestanden wie eine Säule der Zuversicht, das werde ich nie vergessen. Sie hat nicht eine Sekunde überlegt, sie hat gesagt: »Kommt überhaupt nicht infrage. Ich bleibe bei dir, come what fucking may.«
    What fucking may. Man glaubt nie, dass einem das selber passiert. Man macht sich Vorwürfe, dass man nicht früher zum Arzt gegangen ist. Je eher du den Feind erkennst, desto leichter kannst du ihn töten. Bei Prostatakrebs ist die Heilungschance immerhin neunzig Prozent. Trotzdem kreist die eine Frage um dein Unterbewusstsein.
    Sterbe ich jetzt?
    War’s das?
    Über Weihnachten und Neujahr flogen die Anne und ich nach Kenia, um Abstand zu bekommen. Der Professor Pflüger hat mich ruhig reisen lassen. Mitte Jänner werden wir’s dann angehen, genießen Sie die Zeit. Als Außenstehender siehst du nicht die Schatten, die um dich huschen. Du hörst nicht das Ticken der großen Uhr. Du siehst nicht die Sense, die in deinem Koffer liegt.
    An einem neblig nassen Montag im Jänner begann ich meine Therapie. Siebenunddreißig Bestrahlungen. Ich habe sie über mich ergehen lassen, über gut zwei Monate. Jeden Tag fuhr ich ins Spital nach Hietzing, das Prozedere war immer gleich. Es dauert zehn Minuten. Das Schlimmste ist, dass sie einen Ballon in dir aufpumpen, damit der Enddarm und die Blase und alles andere nicht auch noch kaputt werden. Du wirst von allen Seiten bestrahlt. Sie nehmen den Ballon wieder raus und du kannst gehen. Kollateralschäden kannst du nicht verhindern, aber sie haben es sehr gut gemacht. Das gesamte Personal war über die Maßen freundlich und ausgesprochen kooperativ. Ich habe sie gebeten, ob man die Bestrahlungen vielleicht immer am Abend machen könnte, wenn weniger Leute im Krankenhaus sind. War kein Problem. Ich habe sogar einen eigenen Parkplatz bekommen.
    Die Schmerzmittel habe ich irgendwann nicht mehr genommen. Ich wollte mich dem Ganzen stellen. In Klarheit. Jeden Tag um fünf am Nachmittag bin ich hineingeschlichen, man hat gemacht, was zu machen war, dann bin ich wieder gefahren. Außer am Freitag. Am Freitag war ich am Vormittag dran, zu Mittag setzte ich mich ins Auto und

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