Wolfgang Ambros - Die Biografie
fuhr zur Anne nach Tirol. Das Wochenende war krebsfrei. Am Montag fuhr ich wieder nach Wien, am Abend lag ich bäuchlings auf dem Strahlentisch.
Am Anfang merkst du keine Verbesserung. Alles tut dir weh, an einem Tag mehr und an einem anderen weniger. Dir ist furchtbar schlecht, du kriegst die Scheißerei, ist ja alles in Mitleidenschaft gezogen. Parallel dazu haben sie immer wieder PSA-Untersuchungen gemacht. Die Bestrahlungen wirkten. Der Wert war schon wieder auf fast null Komma irgendwas herunten. Der Professor war der Meinung: »Wir machen es trotzdem fertig.«
In weiterer Folge legte er mir einen zweiten Spezialisten an die Prostata. Professor Knocke. Ein Preuße, der ebenfalls im Ruf einer Koryphäe im weißen Kittel steht. Auch ihm verdanke ich mein Leben. Ich würde nie mehr in ein anderes Spital gehen.
Die Prostata ist ungefähr so wie eine große Kastanie. Sie hat eine harte Schale rundherum, und wenn sich da drinnen der Krebs bildet, dann dauert es eine Zeit, bis er herausbricht. Solange er da drinnen ist, ist alles noch kontrollierbar. Man kann es in den Griff kriegen. So war es bei mir, Gott sei Dank. Ein Jahr später wäre meine Lebenserwartung bei zwölf Monaten gewesen. Das Buch würde genau hier aufhören.
Gegen Ende meiner Therapie belästigte mich ein Journalist von News. Eine Schleimkröte, das muss ich sagen. Er rief ständig bei mir an, ich ging gar nicht mehr ans Handy. Hintergrund war, dass sich damals der Georg Danzer geoutet hat. Um den Medien den Wind aus den Segeln zu nehmen, bekannte er: Ich habe Lungenkrebs.
Der Herr Redakteur machte sich auf lieb und verständnisvoll an den todkranken Georg heran. Der Georg war selbst da noch so ein guter Mensch, er ließ ihn gewähren, hat sogar noch Interviewsüber sich ergehen lassen, dass es ihm halbwegs gut ginge. Der Journalist hat ihm süßliche Mails geschrieben, die habe ich heute noch, und er hatte sogar die Stirn, den Georg zu bedrängen und sich bei ihm nach mir zu erkundigen.
Der Schreiberling stöberte in meinem ganzen Umfeld. Was ist mit dem Ambros? Stimmt es, dass der auch einen Krebs hat? Der Georg hat ihm zurückgeschrieben, bitte lassen Sie mich in Frieden, es gibt keinerlei Auskünfte mehr. Also hat er seine Schleimspur doch bis zu mir gezogen. Es hat keinen Sinn, sagte ich ihm, bitte behelligen Sie mich nicht mehr. Zwei Wochen war dann eine Ruh. Und am vorletzten Tag meiner Behandlung kam der Knall.
Obwohl es nur ein ganz kleiner Kreis von Menschen gewusst hat, stand ich auf einmal auf der Titelseite von News. KREBSDRAMA UM WOLFGANG AMBROS!
Drinnen war mein Todesurteil in dezenter Aufdeckermanier dokumentiert und besiegelt.
DIAGNOSE: LEBERZELLENKREBS
LEBENSERWARTUNG: EIN JAHR
So auf die Art: Der Danzer liegt im Sterben und jetzt krepiert auch noch der Ambros. Austria 3, bald dezimiert auf Austria 1. Am liebsten hätten sie dem Fendrich auch noch ein Leiden angedichtet. Austropop-Krebs, ein neues Phänomen. Abgesehen vom Rufmord war das für mich auch ein kapitaler Schaden. Wer engagiert einen noch, wenn in der Zeitung steht, man stirbt?
Um dieser Lügengeschichte den Anstrich wissenschaftlicher Authentizität zu verleihen, ließen sie einen Mediziner eine Ferndiagnose absondern. Ein Arzt packt aus. Ein Wichtigtuer, wie mir Ärztekollegen im Nachhinein versicherten. Der Gynäkologe sprach über Leberzellenkrebs, was das ist und wie schlimm es um die Lebenserwartung bestellt sei. Dass ich keinen unheilbaren Leberzellenkrebs, sondern ein auskuriertes Prostataleiden hatte, war der kleine Unterschied zwischen Leben und Tod.
Ich ließ mir das nicht gefallen. Mein behandelnder Arzt stellte mir ein Attest aus und rückte das Ganze ins rechte Licht. Die richtige Diagnose sandte ich dann breitenwirksam über dieAustria Presse Agentur aus. Die Schleimkröte kroch in ihren Bau zurück. Sechstausend Euro musste News beim Prozess hinblättern. Tut uns wirklich leid, dieses Versehen, nächstes Mal wieder.
Es wird kein nächstes Mal geben in der Beziehung. Ich bin geheilt. Das ist das Einzige, was zählt. Den Schwestern im Spital habe ich eine Schachtel Pralinen gebracht und einen Riesenstrauß Blumen, wir haben die Flasche Sekt gesoffen, die ich auch noch dabeihatte, und dann bin ich gegangen. Zurück in meine Zukunft. Ambros lebt.
Natürlich bleibt die Angst. Der Professor Knocke ließ mich wissen: »Ganz weggehen wird sie nicht. Sie vergessen es zwischendurch, aber die Gedanken kommen wieder.« Und so ist es auch. Und so ist es
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