Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Anhöhe hinunterglitt und dadurch einen beträchtlichen Vorsprung errang. Schröder, Galina, die Araber und die Dunkelhäutigen hasteten ihm die Treppen hinunter nach. Zurück blieb ein umkämpftes und bis auf einen zusammengekauerten Körper wieder leeres Schlachtfeld.
Der Regen ließ nach. Tiefe Furchen im aufgewühlten Morast aus Sand und herausgerissenen Rasenstücken zeugten vom Ringen um die CD. Inmitten einer Pfütze richtete sich Kilian, vollkommen durchnässt und verdreckt, unter Schmerzen auf. Ob er sich eine Rippe gebrochen hatte, konnte er nicht feststellen. Sein sich aufschwellender Brustkorb untersagte jegliche Berührung. Den Atem hielt er flach und gezwungen schnell, da ihm jeder tiefe Atemzug die Brust zu sprengen drohte.
Er blickte um sich. Vom toten Leibwächter gab es keine Spur, genauso wenig wie von dessen Blut aus der Schusswunde. Unter den Bäumen wagten sich einige Konzertbesucher vorsichtig hervor und halfen ihm auf die Beine. Gebeugt und gebeutelt nahm er die Verfolgung auf. Jede Treppenstufe hinunter zum Eingangstor des Residenzgartens bereitete ihm große Schmerzen, sodass er fürchtete, die Besinnung zu verlieren.
Am Tor angekommen, konnte er nirgends Galina und die anderen Verfolger entdecken. Kurzerhand entschied er sich für den Weg, der ins Husarenwäldchen führte. Das wäre der sicherste Fluchtweg für einen Ortsunkundigen, dachte er, zumal die Nacht hereingebrochen war und man zwischen den Bäumen die Hand vor Augen nicht erkennen konnte.
Keuchend hielt er auf die nächste Biegung zu, als er aufgeregte Kommandos hörte: »Hierher. Er läuft zum Friedhof.«
Kilian folgte den Rufen und erreichte den Zebrastreifen und die Annastraße, von der er auf die erste Abteilung des Hauptfriedhofes blicken konnte. Lichtkegel von Taschenlampen zuckten an mehreren Stellen auf. Er hörte Stimmen in verschiedenen Sprachen. Das Mondlicht war schwach, und er konnte nur Umrisse erkennen. Immer wieder schob sich eine Wolke vor den Mond und verdunkelte die Szenerie.
»He’s hiding over there«, hörte er aus dem Dunkel vor ihm.
Mit letzter Kraft kletterte er über den Holzzaun und fand sich wenig später inmitten von Gräbern und mannshohen Grabsteinen wieder. Die Lichtkegel von Taschenlampen zuckten orientierungslos dazwischen auf.
Sie wiesen Kilian den Weg. Doch er kam nicht schnell vorwärts. Mindestens drei Rippen musste er sich beim Tritt des Leibwächters gebrochen haben, und er bekam kaum noch Luft. Hinter einer Hecke drangen Stimmen an ihn heran. Er erkannte den Leibwächter, der auf Knien die CD umstehenden Einsatzleuten anbot. Sie alle hatten eine Waffe auf ihn gerichtet. Doch wann immer er die CD jemandem geben wollte, fand sich dieser im Visier seiner neidischen Nachbarn. Die Situation schien für den Leibwächter ausweglos zu sein, Kilian hörte ihn um sein Leben flehen. Wer alles am Grab stand, konnte er auf die Entfernung nicht erkennen. Nur eines war sicher: Die ganze Meute aus dem Residenzgarten schien sich dort versammelt zu haben, da die Kommandos in verschiedenen Sprachen gegeben wurden. Doch wo war Schröder? Unter den am Grab Versammelten konnte er ihn nicht entdecken.
Der Schmerz bohrte sich abermals in seine Seite und drohte ihm die Luft zu nehmen. Er ließ sich auf den Rücken fallen, um besser atmen zu können. Am Himmel sah er eine große, dunkle Gewitterwolke, die den restlichen Mond langsam schluckte und den riesigen Friedhof in ein schwarzes, dunkles Grab verwandelte. Wie weit würden die Verhandlungen mit der CD wohl gediehen sein, fragte er sich. Und was hatte es mit dieser Scheibe überhaupt auf sich, dass sich alle für sie interessierten? Woher kamen die verschiedenen Einsatzkommandos, und wo war Schröder?
Kilian zog sich am Stein hoch und blickte nach vorn.
»Da! Holt sie euch, ihr Bastarde!«, hörte er den Leibwächter schreien. Er holte aus und warf die CD ins weite Dunkel des Friedhofes.
Im selben Moment flammte Mündungsfeuer auf, und Querschläger surrten durch die Nacht. Kilian warf sich schutzsuchend hinter den Grabstein und fiel hart auf die Seite. Ein stechender Schmerz bohrte sich ihm in die Rippen, als würde ein Pfahl ins Fleisch getrieben. Er fasste sich zögernd an die betreffende Stelle und fühlte gottlob nicht eine Wunde, sondern Oberhammers Handy, das sich in der Tasche verkantet hatte. Er schnaufte erleichtert durch und nahm es zur Hand. Das Display leuchtete, und es schien unbeschädigt. Schröder!, fuhr es ihm in den Sinn. Er
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