Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)
von menschlicher Nahrung und Müll ernährt hatte.
Während der letzten zwölf Tage war dieser Wolf oft gesehen worden. Andere Camper berichteten, dass er immer wieder Campingartikel und Kleidung gestohlen hatte, sich aber Menschen gegenüber nie aggressiv verhielt. Einmal zog er unter dem Kopf eines Mannes, der außerhalb seines Zeltes schlief und der seine Kleidung als Kopfkissen benutzte, die Kleider hervor. Der Mann wachte auf und schrie, der Wolf ließ seine Beute fallen, kam aber zurück und versuchte, den Mann zu schnappen, als er sich zum Boden beugte, um seine Sachen aufzuheben.
Andere Camper hatten eine ganze Salami auf ihrem Kanu liegen lassen, aber das Tier schien am Essen nicht interessiert zu sein. Später fanden die Camper zwei Turnschuhe im Gebüsch, die der Wolf gestohlen und zerkaut hatte.
Obwohl es ernsthafte Verletzungen gab, gingen die Behörden davon aus, dass der Angriff auf den Jungen im Schlafsack kein Beuteangriff war. Stattdessen hat wohl die Begeisterung des Wolfes für menschliche Ausrüstungsgegenstände und Kleidung dazu geführt, dass er einen »besetzten« Schlafsack fortzog. Die Rissmuster wiesen darauf hin, dass der Wolf ursprünglich versucht hatte, den Schlafsack beim Material zu packen und wegzuziehen. Das zerriss aber unter dem Gewicht des Kindes. Zachariahs Verletzungen stammen vermutlich daher, dass das Tier bei dem Versuch, das Gewicht des Schlafsacks mit dem Jungen fortzuziehen, nach dem Kopf des Jungen geschnappt hat. Die tiefen Bissverletzungen zeigen jedoch andererseits, dass das Kind wiederholt gebissen wurde und dass es sich um mehr handelte als ein einfaches Ziehen und Beißen. Wahrscheinlich ist der Junge durch die Bisswunden aufgewacht und hat durch den Schmerz noch mehr gestrampelt und so das vermehrte Nachfassen des Wolfes verursacht.
An Menschen gewöhnte Wölfe zeigen oft eine große Begeisterung für menschliche Kleidung und Ausrüstung. Obwohl dieser Wolf offensichtlich auch gefüttert worden war, suchte er auf den Zeltplätzen doch nie Nahrung und ignorierte es auch, wenn irgendwo etwas zu Fressen herumlag.
Ellesmere Island, Northwest Territories, 1995
Mitte Juni 1995 stand die Wildtierbeamtin Tabita Mullin in der Nähe ihres Wohnquartiers im Basis Camp der Ranger auf Ellesmere Island. Sie beobachtete und fotografierte ein Rudel von elf Wölfen, die sich plötzlich dem Camp näherten. Die Tiere kamen bis auf zehn Meter an sie heran und blieben dann stehen. Ein einzelner Wolf ging weiter und umkreiste sie eng. Beunruhigt ging Mullin zum Haus zurück, das nur fünf Schritte entfernt war. Als sie sich umdrehte, um nach der Tür zu greifen, kam einer der sie umkreisende Wölfe zu ihr und packte sie am Arm. Mullin versuchte den Arm zurückzuziehen, aber der Wolf hielt fest. Erschrocken stieß sie einen kurzen Schrei aus, und der Wolf ließ los. Die Frau ging in das Gebäude und der Beutegreifer lief fort.
Tabita Mullin hatte die Wölfe weder gefüttert, noch hatte sie etwas zu Essen dabei. Der Müll des Camps wurde in den Häusern gelagert und täglich verbrannt. Mullin glaubte auch nicht, dass die anderen Ranger oder Angestellten die Wölfe fütterten, aber sie nahm an, dass Fotografen den Tieren gelegentlich etwas zuwarfen, um bessere Fotos zu bekommen, auch wenn es verboten war. Außerdem berichtete sie von Wölfen, die sich außerhalb des Parks bei den Wetterstationen von Alert und Eureka aufhielten und dort auf den öffentlichen Müllhalden Abfall fraßen. Auch hatte man gesehen, wie die Wölfe von Bewohnern direkt gefüttert worden waren. Das Verhalten der Tiere, die sich Mullin genähert haben, weist eindeutig auf eine Futterkonditionierung hin. Als der Wolf das erwartete Futter nicht bekam, schnappte er nach dem Arm der Frau.
Vargas Island, British Columbia, 2000
Mitte Juni erreichte die Wildtierfotografin Jacqueline Windh mit ihrem Kajak Vargas Island. Sie arbeitete zusammen mit einem zweiten Fotografen, der kurz vor ihr angekommen war und der zwei Leute beobachtet hatte, wie sie eine Wölfin in der Nähe fütterten. Nach Windhs Ankunft näherte sich ihr die Wölfin, und als die Fotografin sich niederhockte, um zu fotografieren, lief sie direkt auf sie zu und schnupperte an der Linse der Kamera. Windh streckte die Hand aus; die Wölfin roch daran und biss zart hinein, offensichtlich um zu sehen, ob die Frau Futter in der Hand hielt. Als sie kein Futter fand, leckte sie die Hand der Fotografin. Später kam noch ein Wolfsrüde hinzu. Er war
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