Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)
Unvermeidbare: Romeo griff im Beisein des Besitzers einen herumrennenden Beagle im Genick. Einige Zeit später schnappte er sich einen kleinen Mops, den Hund eines Fotografen. Während der Wolf mit dem Hund davon lief, drückte der Fotograf unentwegt den Auslöser und sammelte seinen Hund erst wieder ein, nachdem der Wolf ihn losgelassen hatte. In beiden Fällen ließ der Wolf die Hunde fallen und sie entkamen unverletzt.
Eine Woche später griff er sich einen kleinen Pomeranian, den er nicht wieder losließ. Der Körper des Tieres wurde nicht mehr gefunden.
Wieder begann die Diskussion, was mit Romeo geschehen solle. Wenn ein Wildtier in Alaska seine Scheu vor Zweibeinern verliert, wird es normalerweise vom Forest Service betäubt und in ein anderes Gebiet geflogen oder es wird getötet. Aber bei so viel öffentlichem Interesse scheuten die Behörden diesen Schritt.
»Wir sehen nicht den Wolf, sondern die Menschen als Problem«, war deren Reaktion. Dann kam der Sommer und Romeo verschwand wieder in die Berge bis zum nächsten November. Drei Winter lang verwöhnte der schwarze Wolf die Bewohner von Juneau mit seiner Anwesenheit.
Eines Tages kam die Meldung, dass Romeo tot sei. Beerensammlern hatten ihn am südlichen Ende der Stadt in einer Parkbucht gefunden. Ein blutiges Bündel Fell, vollgepumpt mit Kugeln und mit durchschnittener Kehle. Der Kadaver war absichtlich dort abgelegt worden, vermutlich als deutliche Nachricht. Die Behörden konnten nicht viel tun. Es gab weder Zeugen noch Hinweise. Wolfsfreunde setzten eine Belohnung für Informationen aus. Die meisten Telefonanrufe kamen von weinenden und geschockten Romeo-Fans. Die Belohnung wuchs durch viele kleine und große Spenden auf 10.000 Dollar an.
Einige der Wolfsbeobachter, die Fotos des toten Tieres sahen, begannen zu zweifeln, dass es sich tatsächlich um Romeo handelte.
Mehr als einen Monat später machte eine Nachricht die Runde. Jemand hatte einen schwarzen Wolf die Straße beim Visitor Center des Gletschers überqueren sehen. Dann berichtete ein Wanderer, der mit seinem Hund im Gebiet unterwegs war, dass ihnen ein schwarzer Wolf leise winselnd gefolgt sei. Romeo war von den Toten auferstanden.
Ende August verhaftete die Polizei zwei Männer, die schließlich zugaben, einen anderen schwarzen Wolf getötet und nach Juneau gebracht zu haben.
Auch im nächsten Winter zeigte er sich wieder seiner ständig wachsenden Fangemeinde. Manchmal wurde er in der Gesellschaft eines jungen, grauen Wolfes gesehen. Dann wanderte eine fremde Wolfsfamilie in Romeos Revier ein. Im September 2009 wurde er zum letzten Mal gesehen. Seine Beobachter fürchten, dass er von den Neuankömmlingen getötet wurde. Mit acht Jahren hatte er für einen wilden Wolf ein reifes Alter erreicht. Es könnte aber auch sein, dass er abgewandert ist. Romeos Schicksal ist ungewiss in einem Land, in dem Wölfe massiv verfolgt, getötet oder in Fallen gefangen werden.
Futterkonditionierung/Habituierung
Wölfe haben in den letzten Jahrhunderten mehr schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht als umgekehrt. Darum gehen sie ihnen instinktiv aus dem Weg und meiden in der Regel Siedlungen und Straßen. Dennoch sind sie flexibel genug, um in ihrer Nähe zu leben, wie zum Beispiel die Abruzzen-Wölfe ganz in der Nähe von Rom. Diese Anpassungsfähigkeit führt jedoch dann zu einem Problem, wenn der Mensch die wilden Kaniden dazu ermutigt, sich ihm zu nähern, beispielsweise dadurch, dass er ihnen Futter anbietet.
Eine Habituierung auf Menschen ist eine natürliche Reaktion auf häufigen Kontakt zu ihnen ohne Konsequenzen. Wenn Wölfe öfter auf Menschen treffen und das keine negativen Auswirkungen für sie hat, sondern im Gegenteil sogar noch durch Füttern belohnt wird, dann gewöhnen sie sich immer mehr an sie und fürchten sie weniger. Dabei ist entscheidend, ob der Kontakt zu den Zweibeinern nur vorübergehend oder zielgerichtet ist. Es gibt zahlreiche Fälle, besonders in Nationalparks, wo Wölfe durch Zeltplätze laufen, gelegentlich an einem Gegenstand schnuppern, ihn vielleicht mitnehmen, aber sonst kein weiteres Interesse an Menschen haben. Problematisch werden diese Begegnungen, wenn Wölfe Menschen mit Futter in Verbindung bringen.
Algonquin Provincial Park, Ontario 1994
Im Sommer 1994 berichteten zahlreiche Camper von einem furchtlosen Wolf im Gebiet von Opeongo-Lavieille. Der Wolf schien an Futter uninteressiert, knurrte aber Menschen an, zerriss Teile von
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