Wolfsblut
Jeder Strick war an einem Ring am vorderen Ende des Schlittens festgemacht, und dieser selbst hatte keine Kufen und war aus Birkenrinde gemacht, das Vorderende emporgebogen, um den Schnee leichter unterzupflügen. Durch diese Bauart verteilte sich das Gewicht der Ladung wie das des Schlittens auf die breiteste Fläche des weichen, lockeren Schnees.
Nach demselben Prinzip breitete sich auch das Gespann der Hunde am Ende ihrer Stricke fächerförmig vor dem Schlitten aus, so daß keiner in die Fußstapfen des andern trat.
Noch einen andern Vorteil hatte jedoch diese Form des Gespanns. Die ungleiche Länge der Stricke hinderte die Hunde, sich anzufallen; wollte einer den andern angreifen, so mußte er sich nach dem an einem kürzeren Stricke ziehenden umwenden, und dann befand er sich sowohl dem Angegriffenen als auch der Peitsche des Lenkers gegenüber. Allein der größte Vorteil dieses Gespanns lag darin, daß der Hund, der einen vorderen anfallen wollte, den Schlitten schneller ziehen mußte; bewegte sich dieser jedoch schneller, so konnte auch der Angegriffene schneller laufen und so kein Hund den andern einholen, denn je flinker einer rannte, desto schneller lief auch der, hinter dem er her war, und desto flinker rannten alle andern. So vermehrte der Mensch durch Klugheit seine Macht über die Tiere.
Mitsah glich dem Vater auch darin, daß er ein gut Teil von dessen Schlauheit besaß. Er hatte früher beobachtet, daß Liplip Wolfsbluts Feind war, aber damals gehörte Liplip einem andern Indianer, und Mitsah hatte nur gewagt, ihn dann und wann mit einem Stein zu werfen. Jetzt, da Liplip sein Hund war, nahm er an ihm Rache, indem er ihn an den längsten Strick band. Zwar wurde Liplip dadurch zum Führer, was scheinbar eine Ehre war, aber in Wirklichkeit nahm ihm das jede Ehre, denn nun wurde er von den andern gehaßt und verfolgt, anstatt sie zu beherrschen und anzuknurren. Da er an dem längsten Strick zog, kam es den andern immer vor, als liefe er vor ihnen weg. Sie sahen nur seinen buschigen Schwanz und die fliegenden Hinterbeine – ein viel weniger einschüchternder Anblick als gesträubte Nackenhaare und blitzende Zähne. Auch erzeugt der Anblick eines fliehenden Hundes – das liegt in der geistigen Beschaffenheit der Tiere – das Verlangen, ihm nachzurennen, und das Gefühl, als liefe er aus Angst vor ihnen davon.
Von dem Augenblick an, wo der Schlitten losfuhr, jagte also das Gespann hinter Liplip her, und so ging es den ganzen Tag hindurch. Zuerst versuchte jener, zornig wie er war, und eifersüchtig auf seine Würde, sich gegen die Verfolger umzuwenden, aber dann pflegte Mitsah die Schmitze der dreißig Fuß langen Peitsche aus Rentierdärmen ihm ins Gesicht zu schnellen, was ihn zur Umkehr und zum Weiterlaufen zwang. Wohl konnte Liplip den Hunden die Stirn bieten, aber nicht der Peitsche, und es blieb ihm nichts übrig, als den Strick straff zu erhalten und die Beine aus dem Bereich der Zähne seiner Verfolger zu bringen.
Allein, in den Tiefen des Indianergemüts lauerten noch tückischere Ränke und Kniffe. Um den Führer zur Zielscheibe unaufhörlicher Verfolgung zu machen, schmeichelte ihm Mitsah vor den andern Hunden und erregte durch Gunstbezeigungen in ihnen Haß und Eifersucht. In ihrer Gegenwart pflegte er ihn, aber nur ihn, zu füttern, was sie wie toll aufregte. Sie rasten dann um ihn herum, dicht außerhalb des Bereichs der Peitsche, während Liplip das Fleisch verzehrte und Mitsah ihn bewachte, und wenn kein Fleisch mehr da war, so pflegte Mitsah das Gespann in der Entfernung zu halten und so zu tun, als er ob ihn noch weiter füttere.
Die Arbeit gefiel Wolfsblut. Er war weiter als einer der anderen Hunde gewandert, um sich den Menschen zu unterwerfen, und er hatte gründlicher als jene gelernt, wie nutzlos es sei, sich ihrem Willen zu widersetzen. Auch ließ die Anfeindung, die er von dem Rudel erduldet hatte, dieses ihm weit unwichtiger erscheinen als den Menschen. Er war nie auf den Verkehr mit seinesgleichen angewiesen gewesen und hatte Kische fast ganz vergessen. Also fand der letzte Rest seiner Anhänglichkeit seinen Ausdruck in der Treue zu den Menschen, die er als seine Herren anerkannt hatte. So arbeitete er fleißig und war gehorsam. Treue und Willigkeit zeichneten ihn bei der Arbeit aus. Das sind wesentliche Charakterzüge des gezähmten Wolfes und des wilden Hundes, und Wolfsblut besaß sie in ungewöhnlich hohem Grade.
Sein Verhältnis zu den andern Hunden war und blieb
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