Wolfsblut
nicht wie andere Hunde vorwärts, sondern wartete. »Gott im Himmel!« rief Matt aus. »Sehen Sie doch nur, er wedelt ja mit dem Schwanz.«
Weedon Scott machte ein paar Schritte auf ihn zu und rief ihn. Wolfsblut kam heran, doch nicht mit einem Satz, wenn auch schnell. Er war linkisch und verlegen, doch seine Augen hatten einen seltsamen Ausdruck. Etwas wie ein unsagbar großes und tiefes Gefühl stieg darin empor und leuchtete mit hellem Glänze daraus.
»So hat er mich die ganze Zeit, als Sie weg waren, nie angesehen«, erklärte Matt.
Weedon Scott hörte nicht auf ihn. Er hockte auf den Fersen, so daß er Wolfsblut Auge in Auge anblicken konnte, und liebkoste ihn, indem er ihm die Ohren kraulte, ihm Nacken und Schultern streichelte und ihm sanft auf den Rücken klopfte. Wolfsblut grollte als Antwort, und die kosende Note war deutlicher als je vernehmbar. Aber dies war noch nicht alles. In der hohen Freude fand die große Liebe, die in ihm emporquoll und nach Ausdruck rang, einen neuen Ausweg, um sich kundzutun. Plötzlich streckte er den Kopf vor und steckte ihn unter den Arm des Herrn tief, tief hinein, so daß nichts weiter als die Ohren zu sehen waren, und nun grollte er nicht mehr, sondern schmiegte sich nur immer tiefer hinein. – Die beiden Männer blickten einander an, und in Scotts Augen schimmerte es feucht.
»Donnerja!« sagte Matt leise und fast ehrfurchtsvoll. Dann, als er sich von seinem Staunen erholt hatte, setzte er hinzu: »Ich hab es ja immer gesagt, der Wolf ist eigentlich ein Hund, und nun sehen Sie es ja selbst.«
Von dem Augenblick an, da der Gebieter zurückgekehrt war, erholte sich Wolfsblut rasch. Zwei Nächte und einen Tag blieb er noch drinnen, dann rannte er hinaus. Die Schlittenhunde hatten seinen Mut und seine Stärke vergessen und erinnerten sich nur noch seiner Schwäche und Krankheit. Als sie ihn aus dem Blockhaus kommen sahen, stürzten sie über ihn her.
»Wie die Verrückten!« murmelte Matt, der in der Tür stand und lächelnd zuschaute. »Nimm sie, Wolf! Gib es ihnen ordentlich!«
Aber Wolfsblut brauchte keine Ermutigung. Die Rückkehr des Gebieters hatte ihm neuen Lebensmut eingeflößt. Er raufte sich aus reiner Freude, denn er fand darin einen Ausdruck dessen, was ihn erfüllte und was sonst keinen Ausweg fand. Das Ende vom Lied war, daß die Hunde einen schmachvollen Rückzug antraten und erst nach Dunkelwerden einzeln zurückgeschlichen kamen und demütig und unterwürfig ihren Gehorsam bezeigten.
Nachdem Wolfsblut gelernt hatte, den Kopf unter den Arm des Herrn zu schmiegen, machte er sich dessen oft schuldig. Es war seine höchste Liebkosung, alles was er geben konnte. Sein Kopf war dasjenige gewesen, was er immer eifersüchtig behütet hatte. Er hatte es nie gemocht, daß dieser berührt würde. Das war noch die Wildnis in ihm, die Furcht vor der Falle gewesen, daß er sich jeder Berührung des Kopfes wie wahnsinnig widersetzt hatte. Der Instinkt hatte ihm zugeflüstert, daß der Kopf frei bleiben müßte. Jetzt war dies Verbergen des Kopfes unter dem Arm des Gebieters eine überlegte Handlung, durch die er sich in eine völlig hilflose Lage brachte. Es war der Ausdruck vollkommenen Vertrauens, gänzlicher Hingabe, wie wenn er damit sagen wollte: »Ich gebe mich in deine Hand, mache mit mir, was du willst.«
Eines Abends, nicht lange nach Scotts Heimkehr, saß dieser mit Matt vor dem Zubettgehen beim Kartenspiel. Matt zählte gerade die Stiche, als draußen ein gellender Schrei, von einem lauten Knurren gefolgt, ertönte. Die beiden Männer blickten sich an und sprangen auf.
»Wolf hat einen gepackt«, rief Matt aus.
Ein wilder Schrei wie der eines Menschen in Todesangst beschleunigte ihre Schritte.
»Bringen Sie Licht!« rief Scott, während er hinauseilte. Matt folgte mit der Lampe, und bei ihrem Schein sah er einen Menschen im Schnee auf dem Rücken liegen. Er hatte das Gesicht und den Hals mit den Armen bedeckt, um sich vor Wolfsbluts Zähnen zu schützen, was auch notwendig war, denn dieser versuchte immer wieder, ihm an die Kehle zu kommen. Der Ärmel des Rockes sowie die blaue Unterjacke aus Flanell und der Hemdärmel waren in Fetzen gerissen, die Arme schrecklich zerbissen und blutüberströmt. Dies alles sahen die beiden Männer in einem Augenblick, und im nächsten hatte Weedon Scott Wolfsblut an der Kehle gepackt und zerrte ihn weg. Wolfsblut widersetzte sich zwar, machte jedoch keinen Versuch zu beißen und beruhigte sich auf ein scharfes Wort
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