Wolfsblut
herumging, und gehorchten ihm. Nach und nach lernte er Matt als zum Herrn gehörig ansehen. Der Herr fütterte ihn selten, denn das war Matts Amt. Dennoch erriet Wolfsblut, daß es das Futter des Herrn wäre, womit er reichlich ernährt wurde. Als Matt versuchte ihn anzuspannen, damit er mit den andern Hunden den Schlitten zöge, widersetzte er sich; erst als Weedon Scott ihm das Riemenzeug anlegte und ihm die Arbeit zeigte, begriff er, daß es der Wille des Herrn wäre, daß Matt mit ihm wie mit den andern Hunden fahren sollte.
Die Schlitten von Klondike waren von denen am Mackenzie verschieden, sie hatten Kufen. Auch wurden die Hunde anders angespannt, nicht fächerförmig gingen sie, sondern einer hinter dem andern zogen sie in doppelten Strängen. In Klondike war der Leithund wirklich ein solcher, der klügste und stärkste, und das Gespann mußte ihm gehorchen und fürchtete ihn. Daß Wolfsblut diesen Posten schnell erringen würde, war unvermeidlich. Er gab sich nicht mit weniger zufrieden, das lernte Matt unter vielem Ärger. Wolfsblut wählte sich den Posten ganz von selber, und Matt äußerte seine Zufriedenheit mit dieser Wahl durch manchen derben Fluch, nachdem der Versuch geglückt war. Trotzdem Wolfsblut den ganzen Tag über vor dem Schlitten gearbeitet hatte, so gab er nachts die Wache über des Herrn Eigentum nicht auf. Stets auf dem Posten, immer wachsam und treu, wurde er bald der wertvollste aller Hunde.
»Wenn ich so frei sein darf, mit meiner Meinung nicht hinterm Berg zu halten«, sagte Matt eines Tages, »so möchte ich mir die Bemerkung erlauben, daß Sie ein kluger Mann waren, als Sie den Preis für den Hund zahlten. Sie haben den schönen Schmitt außerdem, daß Sie ihm das Gesicht mit der Faust bearbeiteten, reinweg begaunert.«
In Weedon Scotts Augen blitzte es zornig auf, als er grimmig murmelte: »Die Bestie!«
Im späten Frühling brach ein großer Kummer über Wolfsblut herein. Ohne eine Ankündigung, ohne eine Warnung verschwand plötzlich der Gebieter.
Zwar hatte es Anzeichen gegeben, aber Wolfsblut verstand diese nicht; er wußte nicht, was das Packen eines Handkoffers bedeutete. Späterhin erinnerte er sich, daß ein solcher Vorgang dem Verschwinden des Herrn vorangegangen war, aber vorderhand hatte er noch keine Ahnung davon. In der ersten Nacht wartete er vergeblich auf die Rückkehr des Herrn. Der kalte Wind trieb ihn um Mitternacht, eine geschützte Stelle hinter dem Blockhaus aufzusuchen. Dort verfiel er in einen unruhigen Schlummer, indem er mit gespitzten Ohren auf den ersten Ton der bekannten Fußtritte lauschte. Allein zwei Stunden später trieb ihn die ängstliche Sorge wieder nach vorn, wo er sich auf die kalten Stufen legte, um zu warten.
Doch der Herr kam nicht. Am Morgen öffnete sich die Tür, und Matt erschien. Wolfsblut blickte ihn fragend an. Allein es gab keine Sprache, wodurch die beiden sich verständigen und wodurch er erfahren konnte, was er wissen wollte. Die Tage kamen und gingen, aber kein Herr erschien. Wolfsblut, der nie Krankheit gekannt hatte, fing an zu kränkeln, ja, er wurde so schwach, daß Matt ihn ins Blockhaus nehmen mußte. Darum widmete dieser, als er einst an seinen Brotherrn schrieb, Wolfsblut eine Nachschrift, und Weedon Scott las in Circle Town folgendes: ›Der verdammte Wolf will nicht arbeiten. Frißt auch nicht mehr. Hat gar keinen Lebensmut. All die andern Hunde kriegen ihn unter. Er weiß nicht, was aus Ihnen geworden ist, und ich kann es ihm nicht beibringen. Am Ende stirbt er noch!‹ Ja, Wolfsblut hatte Appetit und Lebensmut verloren, und die Gespannhunde fürchteten ihn nicht mehr. Er lag im Blockhaus nahe am Ofen auf dem Boden, ohne sich um sein Futter, um Matt und alles rings um ihn her zu kümmern. Ob Matt freundlich zu ihm sprach oder über ihn fluchte, das war ihm alles eins. Höchstens wendete er die trüben Augen nach ihm hin, ließ aber dann den Kopf wieder auf die Vorderpfoten fallen.
Eines Abends jedoch, als Matt die Lippen bewegend und leise murmelnd für sich las, überraschte ihn ein leises Gewinsel, das Wolfsblut ausstieß. Dieser hatte sich aufgerichtet, und den Kopf nach der Tür gewandt, lauschte er aufmerksam. Einen Augenblick später hörte auch Matt Fußtritte. Die Tür öffnete sich, und Weedon Scott trat ein. Die beiden Männer schüttelten sich die Hände, dann blickte sich Scott um. »Wo ist Wolfsblut?« fragte er.
Der aber stand an derselben Stelle, wo er gelegen hatte, nahe dem Ofen. Er stürzte
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