Wolfsblut
eigentlichen Lebensberuf haben Sie doch verfehlt, als Sie in der Jugend nicht wegliefen und als Tierbändiger in einen Zirkus eintraten.« Diesmal knurrte wohl Wolfsblut wieder, aber er sprang nicht unter der Hand weg, die ihm Kopf und Rücken mit langen Strichen liebkoste.
Dies war für Wolfsblut der Anfang vom Ende seines alten Lebens und der Herrschaft des Hasses. Ein neues, unendlich schöneres Leben dämmerte herauf. Zwar erforderte es viel Nachdenken und endlose Geduld von Seiten Weedon Scotts, um es fertigzubringen; denn für Wolfsblut war es nichts Geringeres als eine vollständige Umwälzung seines Wesens. Er mußte sich den Mahnungen des Instinkts und des Verstandes verschließen, mußte der Erfahrung gegenüber taub bleiben, kurz, sein bisheriges Leben Lügen strafen. Sein früheres Leben bot nicht nur wenig Ähnlichkeit mit dem jetzigen dar, sondern es war diesem direkt entgegengesetzt, und er hatte sich in viel höherem Grade darin zurechtzufinden als damals, da er freiwillig aus der Wildnis zu dem Grauen Biber zurückgekehrt war und diesen wieder zu seinem Herrn erkoren hatte. Damals war er noch ein junges Hündchen gewesen, weich und formlos, das sich willig der Hand der Verhältnisse überlassen hatte, damit sie ihm Form verliehe. Nun war das anders. Die äußeren Umstände hatten ihr Werk getan, hatten ihn hart und grimmig, unliebenswürdig und ungeliebt gemacht, kurz, zu Wolf, dem Preiskämpfer. Eine Umwandlung seines Lebens mußte darum eine völlige Wiedergeburt sein, und das zu einer Zeit, wo die Formbarkeit der Jugend vorüber, wo die Fibern seines Wesens zäh und knotig geworden waren, wo Aufzug und Einschlag des Gewebes, aus dem er gemacht war, hart, unzerreißbar und unnachgiebig erschienen, wo sein Geist eine Form von Eisen angenommen hatte und Instinkte und Wahrnehmungen sich zu festen Grundsätzen, zu Mißtrauen, Abneigung oder Begierden verdichtet hatten.
Und wieder waren es die Umstände, die den Angelpunkt bildeten zu ein vollständigen Umkehr seines Wesens. Die Hand, die ihn zurechtknetete, die das Harte in ihm weich machte und es in eine schönere Form preßte, war die Hand des Weedon Scott. Der stieg bis in die Tiefen von Wolfsbluts Natur hinab, erweckte dort Kräfte zum Leben, die geschlummert hatten oder unterdrückt gewesen waren, und eine dieser Kräfte war die Liebe. Sie trat an die Stelle der Neigung, die früher das höchste Gefühl gewesen war, das ihn beim Verkehr mit den Menschen beseelt hatte.
Aber diese Liebe kam nicht an einem Tage. Auch sie begann mit Neigung und entwickelte sich allmählich daraus. Wolfsblut lief nicht weg, obgleich er frei herumlaufen durfte, denn er hatte den neuen Herrn gern. Dies Leben war sicher besser als das, welches er bei Schmitt im Käfig geführt hatte, und einen Herrn mußte er doch haben, da die Unterordnung unter den Menschen ein Bedürfnis seiner Natur war. Das Siegel dieser Abhängigkeit war ihm an jenem Tage aufgedrückt worden, als er der Wildnis den Rücken kehrte und demütig vor die Füße des Grauen Biber kroch, um die gefürchteten Prügel zu bekommen, und später – und diesmal unauslöschlich –, als er abermals aus der Wildnis zurückkehrte, nachdem die lange Hungersnot vorbei war und es wieder Fisch im Dorf des Grauen Biber gab.
Also blieb Wolfsblut bei Weedon Scott, weil er ihn dem schönen Schmitt vorzog und einen Herrn haben mußte, und er zeigte seine Untertänigkeit dadurch, daß er das Eigentum des Herrn bewachte. Wenn die Schlittenhunde schliefen, wanderte er um das Blockhaus herum, und der erste nächtliche Besucher hatte sich mit einem Stocke zu verteidigen, bis Weedon Scott ihm zu Hilfe kam. Bald jedoch lernte Wolfsblut Diebe von ehrlichen Leuten zu unterscheiden, indem er ihren Gang und ihre Haltung beurteilte. Jemand, der mit lauten Schritten und in gerader Richtung auf die Tür des Blockhauses zukam, den ließ er unangefochten weitergehen, wenn er ihn auch scharf bewachte, bis die Tür sich öffnete und der Herr ihn einließ; denjenigen jedoch, der leise und scheu sich umblickend in weitem Bogen heranschlich, den empfing Wolfsblut ohne langes Besinnen als Feind, und rasch und würdelos entfloh er.
Weedon Scott hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Unrecht, das die Menschen Wolfsblut angetan hatten, wiedergutzumachen. Das war ihm eine Gewissenssache. Er fühlte, daß es eine Schuld sei, die eingelöst werden müsse. An jedem Tage machte er es sich zur Pflicht, nicht nur gut und freundlich zu Wolfsblut zu
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