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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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gewesen wäre, wenn er sie angegriffen hätte.
    Aber bei dem Schäferhund lag die Sache anders. Gerade ihres Geschlechtes wegen brauchte sie keine Rücksicht auf ihn zu nehmen, während sie als Schäferhund die instinktmäßige Furcht vor der Wildnis und vor allem vor dem Wolf in ungemein hohem Grade besaß, denn der Wolf war für sie der Erbfeind, der ihren Herden von der Zeit an, als Schafe einem ihrer fernen Vorfahren anvertraut gewesen waren, aufgelauert hatte. Darum sprang sie auf ihn los, als er den Angriff auf sie aufgab und sich gegen eine Berührung mit ihr stemmte. Unwillkürlich knurrte er zwar, als er ihre Zähne in seiner Schulter fühlte, aber er machte weiter keinen Versuch, ihr weh zu tun. Er zog sich steifbeinig und verlegen zurück und bemühte sich, um sie herumzugehen, allein, wohin er sich auch drehte und wendete, sie blieb immer zwischen ihm und der Richtung, die er einschlagen wollte.
    »Hierher, Collie«, rief der fremde Mann im Wagen.
    Weedon Scott lachte. »Laß nur, Vater, es ist eine gute Schule. Wolfsblut wird viel zu lernen haben, und es ist ebensogut, daß er gleich damit beginnt. Er wird sich schon dareinfinden.«
    Der Wagen fuhr weiter, und immer noch versperrte Collie ihm den Weg. Er versuchte sie zu überholen, indem er den Fahrweg verließ und auf dem Rasen einen Halbkreis beschrieb, allein sie lief im innern, kleineren Kreise und bedrohte ihn stets mit ihrer doppelten Reihe schimmernder Zähne. Er wandte sich nach dem Rasenplatz auf der andern Seite des Weges, doch auch hier gewann sie ihm den Vorsprung ab.
    Der Wagen trug den Herrn fort, und Wolfsblut sah, wie er unter den Bäumen verschwand. Die Lage der Dinge wurde verzweifelt. Er schlug einen andern Bogen ein, aber sie folgte ihm in schnellem Laufe. Da drehte er sich plötzlich um und stieß sie mit dem alten Fechterkunstgriff tüchtig gegen die Schulter. Sie fiel nicht nur um, sondern überschlug sich mehrmals und rollte bald auf den Rücken, bald auf die Seite, indem sie in dem vergeblichen Bemühen, auf die Füße zu kommen, den Kies aufwühlte und dabei grollend aus verletztem Stolz und aus Ärger belferte und schrie.
    Wolfsblut zögerte nicht. Der Weg war jetzt frei, und das war alles, was er haben wollte. Sie folgte ihm zwar immer noch mit gellendem Gebell. Doch nun, da sie in gerader Richtung liefen, hätte sie, was Schnelligkeit anbetraf, von Wolfsblut lernen können. Sie rannte wie wahnsinnig ihm nach, mit höchster Anspannung ihrer Kräfte, und bellte bei jedem Satz, den sie machte, während er lautlos und ohne Anstrengung wie ein Schatten über den Boden glitt.
    Als er um das Haus bog, hielt der Wagen vor der Tür, und der Herr stieg gerade aus. Da bemerkte Wolfsblut, der im schnellen Laufe dahin schoß, daß ihm plötzlich ein Angriff von der Seite her drohte.
    Ein Jagdhund stürzte auf ihn los. Wolfsblut versuchte umzudrehen, aber er war zu sehr im Schwung und der andere zu nahe. Der Stoß traf ihn so unerwartet von der Seite, daß Wolfsblut zu Boden geschleudert wurde und sich überschlug. Als er wieder auf den Beinen stand, bot er einen fürchterlichen Anblick. Die Ohren platt zurückgelegt, die Lippen emporgezogen, die Nase kraus, so schnappten die Zähne schon dicht an der Kehle des Jagdhundes zusammen.
    Der Herr rannte herbei, doch war er noch weit entfernt, und es würde den Jagdhund das Leben gekostet haben, wenn nicht Collie dagewesen wäre. Bevor Wolfsblut dem andern den tödlichen Biß beibringen konnte, kam sie an. Sie war im Laufe überholt, in ihren Absichten gehindert und schmachvoll in den Staub geworfen worden, darum wirkte ihre Ankunft wie ein Wirbelsturm, da beleidigte Würde, gerechter Zorn und instinktmäßiger Haß gegen den Räuber der Wildnis sie beseelte. Sie stieß gegen Wolfsblut im rechten Winkel, als dieser gerade im Sprunge war, und, wiederum verlor er das Gleichgewicht und rollte zu Boden. Im nächsten Augenblick war aber auch der Herr da und hielt ihn mit der einen Hand zurück, während der Vater des Gebieters die andern Hunde abrief.
    »Das ist ja ein hübsch warmer Empfang für einen armen, einsamen Wolf aus dem Polarland«, sagte der Herr, während Wolfsblut sich unter seiner liebkosenden Hand beruhigte. »In seinem ganzen Leben ist er nur ein einziges Mal umgeworfen worden, und hier passiert ihm das zweimal in wenigen Sekunden.«
    Der Wagen war fort, und fremde Leute kamen aus dem Hause heraus. Einige hielten sich in respektvoller Entfernung, aber zwei von ihnen, Frauen, machten

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