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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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nicht da war; erschien dieser, so war für Wolfsblut niemand anderes da. Er erlaubte den Mitgliedern der Familie wohl, daß sie ihn streichelten und verwöhnten, aber nie zeigte er sich ihnen gegenüber wie gegen den Herrn. Keine Liebkosung der andern konnte seiner Kehle den kosenden Ton entlocken, und keiner konnte ihn dazu bewegen, den Kopf zu verstecken. Diesen Ausdruck völliger Hingebung, völligen Vertrauens hatte er nur für den Gebieter übrig, und die Mitglieder der Familie erblickte er nur in dem Licht, daß sie zu ihm gehörten.
    Bald lernte Wolfsblut einen Unterschied zwischen der Familie und den Dienstboten machen. Diese fürchteten sich vor ihm, und er ließ sie in Ruhe, weil sie ebenfalls zum Herrn gehörten. Aber es war nur ein Zustand der Neutralität zwischen ihnen – nichts weiter. Sie kochten, sie wuschen für den Herrn und taten andere Dinge für ihn, so wie es Matt in Klondike getan hatten kurz, sie gehörten zum Hause.
    Doch außerhalb des Hauses gab es viel für ihn zu lernen. Das Besitztum des Herrn war groß, aber es hatte seine Grenzen, denn es hörte an der Straße auf. Darüber hinaus gab es noch Straßen und Wege, die gemeinsames Eigentum aller waren, und hinter Hecken und Zäunen lagen die Besitzungen anderer Leute. Zahllose Gesetze, die man beachten mußte, regelten dies alles, und da er die Sprache der Menschen nicht verstand, so konnte er nur durch Erfahrung diese Gesetze lernen. Also gehorchte er seinen Trieben, bis er gegen ein Gesetz verstieß, und war dies mehrere Male geschehen, so lernte er das Gesetz beobachten.
    Das wirksamste Erziehungsmittel war ein Puff von der Hand des Gebieters oder ein tadelndes Wort aus seinem Munde. Bei der großen Liebe, die er für diesen hegte, schmerzte ihn ein Puff mehr als die ärgsten Prügel, die ihm je der Graue Biber oder der schöne Schmitt erteilt hatte. Die hatten ihm nur körperlich weh getan, im Herzen aber hatte er sich wütend dagegen empört. Der Puff des Herrn jedoch war stets zu leicht, um weh zu tun, aber er ging tiefer. Es war der Ausdruck des Mißfallens des Herrn und gab ihm jedesmal einen Stich ins Herz. Allerdings war der Puff nur selten nötig, da die Stimme des Herrn genügte. Aus ihrem Klang wußte Wolfsblut, ob er recht oder unrecht getan hatte, und er richtete danach sein Betragen ein. Dies war der Kompaß, nach dem er steuerte, um Sitten und Gebräuche eines neuen Lebens und Landes zu lernen.
    Im Lande des Nordens war der Hund das einzige Haustier gewesen. Alle andern Tiere hatten in der Wildnis gelebt und waren, wenn sie nicht zu groß gewesen, seine rechtmäßige Beute geworden. Sein Leben lang hatte Wolfsblut sie verfolgt und verzehrt, also kam es ihm nicht in den Sinn, daß es im Süden anders sein könne. Bald jedoch sollte er dies im Tal von Santa Clara kennenlernen. Als er einst früh am Morgen um die Ecke des Hauses bog, begegnete ihm ein Hühnchen, das aus dem Hühnerhof entwischt war. Wolfsbluts Instinkt trieb ihn an, es zu verzehren. Er machte ein paar Sätze, ließ seine Zähne blitzen, und das erschrockene, schreiende Hühnchen war gepackt. Es war gut gemästet, fett und zart, und Wolfsblut leckte sich das Maul, so vortrefflich hatte es ihm geschmeckt. Später am Tage fand er abermals ein verirrtes Hühnchen nahe am Stalle. Ein Stallknecht eilte zu dessen Rettung herbei. Aber er hatte von Wolfsbluts Abstammung keine klare Idee und ergriff als Waffe eine schwache Peitsche. Wolfsblut ließ beim ersten Peitschenhieb, der ihn traf, das Hühnchen fahren und wandte sich gegen den Mann. Ein Knüttel hätte ihn vielleicht aufgehalten, doch nicht eine Peitsche. Ohne Laut und ohne sich zu krümmen, nahm er einen zweiten Hieb im Sprung hin, indem er dem Mann an die Kehle fuhr, der laut aufschrie und zurücktaumelte. Dabei ließ dieser die Peitsche fallen und schützte das Gesicht mit dem Arm, der bis zum Knochen aufgerissen wurde.
    Der Mann war aufs furchtbarste erschrocken, nicht so sehr über die Grimmigkeit als über die Lautlosigkeit des Angriffs. Während er Gesicht und Hals mit dem arg zerfleischten, blutenden Arm verdeckte, suchte er den Schutz eines Schuppens zu gewinnen. Doch es wäre ihm schlimm ergangen, hätte sich Collie nicht ins Mittel gelegt. Wie sie Dick einst das Leben gerettet hatte, so rettete sie nun das des Stallknechts. In wahnwitziger Wut stürzte sie auf Wolfsblut los. Also hatte sie doch recht behalten, war sie doch klüger als die verblendeten Menschen gewesen! Ihr Argwohn war

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