Wolfsblut
verfolgen sollte, denn der Herr brachte ihn in einen Gepäckwagen der Eisenbahn, und dort blieb er angekettet in einer Ecke mitten unter den aufgehäuften Koffern und Handtaschen. Ein untersetzter, kräftiger Mann führte sehr lärmend hier das Regiment, warf Koffer und Kisten durcheinander, schleppte sie zur Tür hinein, türmte sie übereinander auf oder warf sie mit großem Gekrach zur Tür hinaus und den Leuten zu, die darauf warteten.
Hier, in dem schrecklichen Durcheinander von Gepäckstücken, hatte der Herr ihn verlassen, so dachte wenigstens Wolfsblut, bis er die Reisetaschen des Herrn neben sich ausgewittert hatte und sogleich die Wache darüber übernahm.
»Es ist Zeit, daß Sie kommen«, brummte der Mann im Packwagen eine Stunde später, als Weedon Scott an der Tür erschien. »Ihr Hund ließ mich Ihre Siebensachen nicht anrühren.«
Wolfsblut sprang hinaus. Die traumhafte Großstadt war verschwunden. Der Gepäckwagen, der, als er ihn betreten hatte, ihm wie ein Zimmer in einem Hause erschienen war, befand sich nicht mehr darin. Kein lärmendes Getöse traf sein Ohr, und vor ihm lag eine lachende Gegend in träger Ruhe im Sonnenschein. Aber er brauchte nur wenig Zeit, um sich über die Verwandlung zu wundern. Er nahm sie wie all die unbegreiflichen Kundgebungen der Menschen, seiner Götter, hin; das war nun einmal ihre Weise.
Ein Wagen wartete draußen. Ein Mann und eine Frau kamen auf den Herrn zu. Die Frau streckte die Arme aus und schlang sie fest um den Nacken des Herrn – nach Wolfsbluts Meinung eine feindselige Gebärde! –, und im nächsten Augenblick hatte sich Weedon Scott losgemacht und Wolfsblut gepackt, der sich wie ein Rasender gebärdete.
»Beruhige dich, Mutter«, sagte Scott, indem er Wolfsblut festhielt und ihn besänftigte. »Er hat geglaubt, du wolltest mir ein Leid antun, das duldet er nicht. Es ist gut. Er soll es lernen.«
»So darf ich meinen Sohn wohl nur umarmen, wenn sein Hund nicht in der Nähe ist«, sagte die Mutter lachend, aber sie war blaß geworden und zitterte noch vor Schreck. Dann blickte sie auf Wolfsblut, der mit gesträubtem Haar knurrend und böse dreinschaute.
»Er wird es lernen müssen«, erwiderte Scott, »und soll gleich damit anfangen.«
Er sprach sanft zu Wolfsblut, bis dieser sich beruhigt hatte, dann gebot er mit fester Stimme: »Kusch dich, sit down!«
Dies hatte er Wolfsblut beigebracht, und dieser gehorchte, wenn auch widerwillig und verdrossen.
»Jetzt, Mutter!« Und Scott breitete die Arme aus, heftete die Augen jedoch auf Wolfsblut.
»Down!« warnte er, »down!«, und Wolfsblut sah, schweigend und mit gesträubtem Haar, halb wie zum Sprunge geduckt, wie die Umarmung wiederholt wurde.
Da aber weder aus dieser noch aus der darauffolgenden Umarmung des fremden Mannes irgendein Unheil entsprang, so ließ es Wolfsblut geschehen, daß das Gepäck des Herrn auf den Wagen geladen wurde. Dann stiegen die Fremden ein und der Gebieter nach ihnen, und nun folgte Wolfsblut wachsam dem Wagen, indem er bald hinten nachlief, bald den schnellen Pferden vorantrabte, um zu sehen, ob auch dem Gebieter kein Leid geschehe, den sie so geschwind davontrugen.
Eine Viertelstunde später bog der Wagen in einen steinernen Torweg ein und fuhr unter dem dichten Laubdach einer doppelten Reihe von Walnußbäumen dahin. Zu beiden Seiten erstreckten sich Rasenflächen, auf denen hier und da einige große kräftige Eichen standen. Im Gegensatz zu dem saftigen Grün des wohlgepflegten Rasens schimmerten die Felder ringsum in bräunlichem Gold, und darüber erhoben sich gelbliche Hügel und grüne Bergwiesen. Am Ende der Rasenfläche, wo der Boden sanft anstieg, schaute das Haus mit breiter Veranda und vielen Fenstern herab. Aber Wolfsblut hatte keine Zeit, dies alles zu sehen. Kaum war der Wagen in das Tor eingebogen, als er von einem Schäferhund mit hellen Augen und spitzer Schnauze in großem Zorn angefallen wurde. Dieser rannte zwischen ihn und den Herrn und schnitt ihm den Weg ab. Wolfsblut schickte sich eben ohne ein anderes Warnungszeichen, als daß er das Haar sträubte, zu tödlichem Angriff an, als er auf halbem Wege jäh und linkisch innehielt, die Vorderbeine steif auf den Boden stemmte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und in dem eifrigen Bemühen, die Berührung mit dem andern zu vermeiden, fast auf die Hinterbeine zu sitzen kam. Denn dieser Schäferhund war eine Hündin, und das richtete zwischen ihnen eine Schranke auf, da es gegen den Instinkt
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