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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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ebenfalls die feindselige Bewegung, dem Herrn um den Hals zu fallen. Wolfsblut hatte jedoch nun gelernt, das zu dulden. Es schien ja nichts Schlimmes zu sein, denn das Geräusch, das die Menschen dabei mit den Lippen machten, hatte nichts Drohendes. Auch Wolfsblut näherte man sich freundlich, aber dieser knurrte warnend, und der Herr warnte die Leute ebenfalls durch Worte. Wolfsblut drückte sich dabei dicht an den Herrn, der ihm beruhigend auf den Kopf klopfte. .
    Der Jagdhund war auf das Gebot »Dick, leg dich nieder!« die Stufen hinaufgegangen und hatte sich auf der Veranda hingelegt, indem er fortwährend brummte und den Eindringling mürrisch beobachtete. Collie war von einer der Frauen in Obhut genommen, die ihr die Arme um den Hals geschlungen hatte und sie dabei liebkosend streichelte. Aber Collie war außer sich und winselte ängstlich. Es empörte sie, daß man diesen Wolf hier duldete, und sie war überzeugt, daß die Menschen damit einen großen Fehler begingen.
    Alle gingen die Stufen hinan, um in das Haus einzutreten. Wolfsblut folgte dem Herrn dicht auf den Fersen. Dick in der Veranda knurrte, und Wolfsblut auf den Stufen sträubte das Haar und knurrte ebenfalls.
    »Nimm Collie hinein, und laß die andern beiden es draußen ausfechten«, schlug Scotts Vater vor. »Hernach werden sie gute Freunde sein.«
    »Ach, dann wird Wolf, um Dick seine Freundschaft zu bezeigen, Hauptleidtragender beim Begräbnis sein müssen«, lachte der Herr.
    Der ältere Scott blickte ungläubig erst auf Wolfsblut, dann auf Dick und schaute dann den Sohn an. »Du meinst wirklich –«
    Weedon nickte mit dem Kopfe: »Ja, ja, du würdest Dick in einer, höchstens in zwei Minuten als Leiche sehen.« Dann wandte er sich an Wolfsblut: »Komm mit, du Wolf. Diesmal mußt du hinein.«
    Wolfsblut schritt steifbeinig die Stufen hinan und über die Veranda. Er hielt Kopf und Schwanz hoch erhoben und heftete die Augen fest auf Dick, um gegen einen Angriff von der Seite geschützt zu sein, während er auch gegen etwaige unbekannte Schrecknisse, die aus dem Innern des Hauses auf ihn losstürzen könnten, auf der Hut blieb. Aber nichts geschah, und so schaute er sich, als er drinnen war, prüfend und suchend um, ohne etwas Besorgniserregendes zu entdecken. Dann legte er sich mit zufriedenem Seufzer zu den Füßen des Herrn nieder, beobachtete alles, was um ihn vorging, und war immer bereit, aufzuspringen und mit dem Furchtbaren, das unter dem verräterischen Dache eines Hauses notwendigerweise lauern mußte, um sein Leben zu kämpfen.

 
DRITTES KAPITEL
     
Des Herrn Besitztum
     
    Wolfsblut besaß nicht nur die natürliche Anlage, sich den Dingen anzupassen, sondern er hatte auch gelernt, da er viel in der Welt herumgekommen war, daß man sich fügen und schicken müsse. In Sierra Vista, wie Richter Scotts Besitztum hieß, fühlte er sich bald heimisch. Mit den andern Hunden hatte er keine ernstliche Fehde. Sie wußten besser als er, was sich für Hunde im Südland schickte, und er hatte in ihren Augen an Ansehen gewonnen, als man ihn gleich anfangs ins Haus nahm. Wenn er auch ein Wolf und es ungewöhnlich war, daß man ihn um sich duldete, so mußten Hunde sich dem Willen ihrer Herren unterwerfen. Dick tat anfangs notwendigerweise etwas steif, nachdem er Wolfsblut ruhig als neues Mitglied des Haushaltes hingenommen hatte, allein er würde bald mit ihm Freundschaft geschlossen haben, wäre es nach seinem Willen gegangen. Doch Wolfsblut liebte keine Freundschaften. Was er von andern Hunden verlangte, war, daß man ihn in Ruhe ließe. Sein Lebtag hatte er sich von ihnen ferngehalten, und das wünschte er auch weiter zu tun. Dicks freundliches Entgegenkommen war ihm unangenehm, und er knurrte so lange, bis jener wegging. Im Norden hatte er gelernt, er müsse des Herrn Hunde in Ruhe lassen, und er hatte das nicht vergessen. Aber er bestand darauf, daß man auch ihn in Ruhe ließe, und übersah Dick so vollständig, daß der gutmütige Jagdhund ihn aufgab und an ihm ebensowenig Interesse zeigte wie an dem Pfahl neben der Stalltür.
    Anders verhielt es sich mit Collie. Wenn sie seine Gegenwart auch duldete weil ihre Herren es so haben wollten, so war das noch kein Grund, warum sie ihn in Ruhe lassen sollte. Ihrem Wesen war die Erinnerung an zahllose Verbrechen, die sein Geschlecht gegen ihre Vorfahren begangen hatte, so eingewachsen, daß sie nicht an einem Tage, ja ihr Leben lang nicht, die beraubten Schafhürden vergessen konnte. Dies war ein

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