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Wolfsbrut

Wolfsbrut

Titel: Wolfsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Whitley Strieber
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zu stolpern, bis sie auf allen Vieren war. Ihre Augen tränten, und die Tränen gefroren auf den Wangen. Lichter wirbelten vorbei. Sie kauerte an der Tür und drehte dem Wind den Rücken zu. Sie zog den Taschenwärmer heraus und hielt seine geringe Wärme ans Gesicht. Der Griff der Ingram drückte gegen ihre linke Brust, die Thermoskanne rollte beinahe unter dem linken Arm hervor, Kamera und Walkie-talkie behinderten sie darüber hinaus. Sie sah sich um. An drei Seiten des Hauses leuchteten Lichter. Das waren die Straßenseiten. Die vierte Seite, hinter der ein schwarzer Abgrund klaffte, grenzte an die Nebenstraße.
    Sie steckte den Taschenwärmer weg, wappnete sich und kroch zum dunklen Dachrand. Aus Sicherheitsgründen legte sie sich schließlich auf den Bauch und kroch, so gut sie das mit der Ausrüstung konnte. Der Rand kam näher, der Wind zerrte an ihrem geduckten Körper. Kälte drang so bitter unter den Wollmantel, daß ihr zumute war, als würde Feuer an ihrer Haut brennen. Sie sagte sich, daß sie verrückt war, sie mußte umdrehen, es war unmöglich, das länger als ein paar Minuten auszuhalten.
    Aber sie ging weiter und zog sich dichter und dichter an den Dachrand heran. Wenigstens lag die Nebenstraße an der Südseite des Hauses und sie würde dem Wind den Rücken zukehren.
    Sie kam zum Rand, berührte die Betonkante mit den Handschuhfingern und hielt inne. Der Rand war etwa fünf Zentimeter hoch, gerade eben ein Handgriff. Sie machte methodisch Inventur: Thermoskanne, Funkgerät, Kamera, Waffe. Okay, jetzt in Position ziehen. Sie zog sich dichter an den Rand, arbeitete mit den vor Kälte steifen Fingern, bis sich ihr Gesicht direkt an de Dachkante befand. Vor ihr war Leere, die in Schwärze überging. Südlich des Gebäudes war ein Meer von Backsteinhäusern und älteren Gebäuden. Dahinter konnte sie das Zentrum von Manhattan sehen, die Lichter, die im Wind glommen, und den Mond, der jetzt hoch über der Stadt stand. Die Warnlichtstrahler für Flugzeuge huschten über den Himmel. Fern in Westen signalisierte ein angemessen dunkelrotes Leuchten das Ende des Tages. Aber hier war die Nacht undurchdringlich schwarz, und die Gasse unten war unbeleuchtet, abgesehen vom schwachen Schein aus Fenstern tiefer gelegener Wohnungen des Hauses.
    Sie manövrierte die Kamera ungeschickt vors Gesicht, tastete nach dem Knopf und schaltete sie ein, Sofort leuchteten im Bildsucher die Kontrollzahlen auf, und sie drückte den Schärfeknopf. Die Nebenstraße schwamm unnatürlich hell und klar ins Blickfeld. Sie konnte Mülltonnen sehen, und den gefrorenen Schnee auf ihren Deckeln. Die Backsteinhäuser auf der anderen Seite der Nebenstraße hatten alle Gärten, und sie konnte in deren Schatten sehen und die vertrockneten Überreste von Sommerblumen erkennen sowie die scharfkantigen Gliedmaßen kahler Bäume. Die Fenster der Häuser waren so grell, daß sie sie fast nicht ansehen konnte, aber als sich ihre Augen daran gewöhnt hatten, konnte sie Menschen dahinter erkennen; die meisten saßen wie Statuen vor Fernsehgeräten. Eine junge Familie war beim Abendessen hinter einer Glastür versammelt. Sie waren zu viert, zwei Erwachsene und zwei Kinder. Sie konnte ihre Gesichter deutlich erkennen.
    Nun zog sie die Kamera zurück, drückte sie an die Brust und zog das Walkie-talkie zum Gesicht. Es hatte an einer Schnur auf ihrem Rücken gehangen. Sie schaltete es unbeholfen ein und hielt es dicht ans Ohr, damit das Mikro unter ihrem Mund war. Dies war die einzige gesprochene Durchsage, und sie wollte sie nicht länger als notwendig machen. Es war möglich, daß sie schon jetzt irgendwo da draußen waren und warteten. »Seid ihr dran?« fragte sie leise. Und erhielt sofort Antwort: Wilson. »Wir hören.« Sie machte kurz Meldung. »Bin in Stellung, Kamera funktioniert, höllisch kalt.« »Die Hölle ist heiß.« »Stimmt. Testen wir die Signale.« Sie ließ den Mikrofonknopf los, dann drückte sie einmal darauf und hielt ihn etwa drei Sekunden fest. Wilson unten machte es ebenso. Das Zischen, das aus dem Lautsprecher drang, veränderte sich deutlich. Sie antwortete mit zweimaligem Drücken des Mikroknopfs. Wilson antwortete auf der Stelle ebenso. Das Hilfesignal, dreimaliges Drücken, probierten sie nicht. Es blieb Notfällen vorbehalten.
    »Alles klar bei mir«, sagte sie. »Okay«, lautete die Antwort. »Ihr bekommt das erste Signal in fünf Minuten.«
    Danach Schweigen. In fünf Minuten würde Wilson den Mikroknopf einmal

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