Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
sah einen bilderbuchmäßigen Überraschungsangriff über die Gartenterrasse vor. Schauß und Fouquet schnappten sich einen massiven Hartholztisch, der in unmittelbarer Nähe zur doppelflügeligen Verandatür ideal postiert war. In Sekundenschnelle wurde er zum Rammbock umfunktioniert. Die kräftigen jungen Männer benötigten lediglich einen einzigen Versuch, um die wenig widerstandsfähigen Holzpfosten der Tür zur sofortigen Kapitulation zu zwingen.
Mit einem lauten Krachen, dem sogleich hochtönendes Klirren folgte, durchdrang der Gartentisch die Verandatür und kam im Wohnzimmer erst kurz vor einem wertvollen Perserteppich zum Stillstand.
Bis auf Dr. Schönthaler, der als einziger Unbewaffneter von Tannenberg zum Ausharren am Eingangstor vergattert worden war, huschten alle über hell knackende Glasscherben hinweg in das Gebäudeinnere. Schauß, Geiger, Fouquet und Benny de Vries – der es sich nicht hatte verbieten lassen, an der Aktion teilzunehmen – rannten empor zu den im Obergeschoss vermuteten Schlafzimmern der Villa.
Tannenberg und Mertel dagegen blieben im Parterre und durchsuchten die dort befindlichen Räume. Aber hier war niemand, keine Menschenseele. Anschließend eilten sie in Richtung des Treppenhauses, von wo aus sie ihre Kollegen lauthals Kommandos schreien hörten. Mit einem Male wurden die Stimmen merklich leiser.
»Ihr könnt jetzt alle raufkommen«, rief plötzlich Michael Schauß. »Hier oben ist alles sauber. Außer dem feinen Herrn Anwalt und seiner Gattin ist hier niemand.«
Noch bevor Tannenberg das luxuriöse Schlafgemach der Eheleute Croissant betreten konnte, wurde er von seinem wie ein Honigkuchenpferd strahlenden holländischen Freund empfangen. Triumphal grinsend hielt er ihm ein kleines gelbes Büchlein entgegen.
»Schau mal, was Mijnheer Advocaat vorm Schlafen Schönes liest.«
»Was sehen denn da meine entzündeten Äuglein: den Leviathan. Ich glaube es nicht. Der feine Herr ist wohl ein Bildungsbürger«, entgegnete Tannenberg ironisch.
Dann schritt er würdevoll hinein in das hell erleuchtete Schlafgemach der Eheleute. Genüsslich begann er nun damit, den zweiten Teil des von ihm inszenierten Finale Grandes zu zelebrieren.
»Ach, wen haben wir denn da? Das ist ja der werte Herr Dr. Frederik Croissant nebst seiner verehrten Gattin, deren Vorname mir leider entfallen ist. Welch eine Freude, Sie zu sehen«, flötete er in Richtung des Ehepaares.
Der Rechtsanwalt hatte sich ebenso wie seine etwas zerzaust wirkende Gemahlin im Bett aufgerichtet. Nun saßen beide mit dem Rücken an die von Deckenstrahlern in grelles Licht getauchte Wand gelehnt.
»Sie lesen gerade den Leviathan, Herr Anwalt. Respekt! Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie der Auffassung sind, ein Alphawolf zu sein?«
Man merkte Dr. Croissant sehr wohl an, dass er es gewohnt war, seine Emotionen im Zaum zu halten und betont kühl auf alle Situationen zu reagieren. Nur der grimmige Blick, mit dem er Tannenberg ins Visier genommen hatte, verriet etwas von seinem derzeitigen Gemütszustand.
»Sagen Sie mal, Herr Hauptkommissar, ich dachte, Sie werden per internationalem Haftbefehl gesucht?«, fragte er mit eisiger Stimme. »Und jetzt überfallen Sie mich am frühen Sonntagmorgen in meinem Haus. Gemeinsam mit Ihren Kollegen. Wie soll ich denn das verstehen?«
Tannenberg blieb gelassen. »Och, Herr Anwalt, seien Sie doch bitte nicht so abweisend. Ich bin schließlich extra zu Ihnen gekommen, um mich mit Ihnen ein bisschen über dieses überaus interessante und anregende Büchlein hier zu unterhalten.« Demonstrativ blätterte er ein wenig darin herum, hielt es ihm entgegen.
Dr. Croissant lachte. »Also wissen Sie, Tannenberg, Sie sind mir schon ein komischer Vogel. Ich bin ja durchaus humoristisch veranlagt. Aber wie ich finde, überstrapazieren Sie gegenwärtig mein Toleranzvermögen ein wenig zu arg.« Sein Mienenspiel verfinsterte sich weiter, nahm einen immer bedrohlicheren Charakter an. »Mal etwas ganz anderes: Sind Sie im Besitz eines gültigen Haftbefehls?«
Für einen Moment traf Tannenberg dieser Satz wie ein Keulenschlag ins Genick. Er zögerte mit einer Antwort.
»Na, was ist meine Herren?«, wandte sich der Anwalt unvermittelt an die anderen Kriminalbeamten. »Muss ich Sie jetzt etwa alle über die rechtlichen Grundlagen der Polizeiarbeit aufklären?« Er machte Anstalten, zum Telefonhörer zu greifen.
»Finger weg!«, stellte Kommissar Fouquet unmissverständlich klar.
Langsam zog Dr.
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