Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
scheinheilig! Sie wissen doch ganz genau, um was es geht! Ich verspreche Ihnen, dass wir Ihr kleines, schmutziges Geheimnis, für das ja schließlich zwei junge Menschen sterben mussten, schon bald ans Tageslicht befördern werden.«
»Schmutziges Geheimnis?«
»Ja genau! Schauen Sie mich nicht so unschuldig an! Sie haben wohl gemeint, weil Sie jahrelang in einer Mordkommission gearbeitet haben, wären Sie in der Lage, zwei perfekte Verbrechen zu begehen? Den einen spurlos im Tierkrematorium verschwinden zu lassen und seine Freundin mit einem fingierten Selbstmord umzubringen? Na, was sagen Sie dazu?«
Mit stierem Blick und offenem Mund gaffte Tannenberg zu Benny hin.
»Und was präsentieren Sie uns zu Ihrer angeblichen Entlastung, Herr Hauptkommissar? Eine irre KO-Tropfen-Story und eine alberne Verschwörungstheorie. Das sind doch nur die obskuren Hirngespinste eines Verrückten!«
»Komm, hör auf damit«, flehte Tannenberg und begann, wie von einer krankhaften Manie besessen, intensiv am unteren Glied seines linken Zeigefingers herumzunagen.
Als Benny diese stressbedingte Zwangshandlung bemerkte, legte er seinem Freund tröstend die Hand auf die Schulter. »Ist schon vorbei, Wolf.«
Tannenberg beendete umgehend sein merkwürdiges Verhalten, drehte sich zu ihm hin, fixierte ihn mit einem verklärten Blick. »Aber, du hast ja vollkommen recht. Mit dieser Überweisung hat man ein schlüssiges Tatmotiv für mich konstruiert: durch die beiden Morde habe ich mich meiner Erpresser entledigt.«
Benny schwieg, während er an einigen seiner Rasta-Zöpfchen herumzupfte.
»Die haben wirklich an alles gedacht, Benny. Nur, wieso haben die mir dieses komische Buch untergejubelt? Bloß um mir ihre Macht zu demonstrieren?« Er ließ ein paar Sekunden verstreichen. »Nach alldem, was die perfekt manipuliert haben, war das doch überflüssig. Ich kapier’s einfach nicht.«
Der Venloer Kriminalbeamte fing Tannenbergs fragenden Blick auf. »Ich verstehe doch auch nicht, warum die das getan haben. Aber vielleicht steckt ja auch gar keine tiefere Bedeutung dahinter. Vielleicht war das nur ein Scherz.«
»Ein Scherz?«
»Ja, vielleicht hat da einer morgens die Zeitung aufgeschlagen und ist dort auf dieses Zitat gestoßen. Die drucken ja fast jeden Tag solche Sprüche ab. Und weil er eben deinen Vornamen kennt, hat er dir als Gag dieses Buch geschenkt.«
»Als Gag? Na, ich weiß nicht.«
»Oder es hat jemand absichtlich eine falsche Spur gelegt, eine, die dich in den Nebel führen soll.«
Plötzlich erblickte Benny die Plastiktüte mit den Einkäufen, die er vorhin achtlos neben der Sitzbank abgestellt hatte. Er bückte sich und nahm sie auf.
»Verdoemte Stront!«, schimpfte er auf holländisch los.
»Was?«, fragte Tannenberg stirnrunzelnd.
Die verständnislose Reaktion seines Gegenübers machte Benny bewusst, dass er sich gerade seiner Muttersprache bedient hatte – einer Sprache, der Tannenberg nicht mächtig war. Da er spontan den ausgestoßenen Fluch als nicht unbedingt übersetzenswürdig erachtete, entgegnete er lediglich mit einem eher beiläufig dahingehauchten »ach, nichts«.
Nachdem Benny die beiden Rotweinflaschen auf den Tisch gestellt und den Käse im Kühlschrank verstaut hatte, sagte er mit Blick auf die tagesaktuelle Ausgabe der PALZ , die er soeben unter dem Chiabatta in der Tüte entdeckt hatte: »Apropos Zeitung. Hätte ich ja fast vergessen.« Dann zog er sie heraus und reichte sie Tannenberg.
Der riss sie ihm regelrecht aus der Hand, faltete sie mit fahrigen Bewegungen auseinander, schob den überregionalen Teil beiseite – und sah sich gänzlich ohne Vorwarnung nicht nur mit seinem eigenen Antlitz konfrontiert, sondern darüber hinaus auch noch mit einer Schlagzeile, die ihn zutiefst schockierte. In dicken schwarzen Lettern stand da ›Tannenberg auf der Flucht – schwer bewaffnet und unberechenbar‹.
Mit gierigen Blicken fraß er sich in den Text hinein, las ihn zuerst am Stück, dann nochmals, nun langsam Zeile für Zeile. Dabei erweckte er den Eindruck, als ob er gerade mit Stromstößen gefoltert würde.
Benny hatte sich unterdessen hinter ihn gestellt und las nun ebenfalls den Artikel. »Damit musstest du aber rechnen, Wolf«, kommentierte er nüchtern das Gelesene.
Tannenberg drehte seinen Kopf über die Schulter. »Klar. Aber, dass die mich auch noch als extrem gemeingefährlichen Psychopathen bezeichnen, ist doch wohl ein bisschen zu viel des Guten.« Ein flehentlicher Blick traf
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