Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
Umklammerung, warf sie vors Gesicht. Kaum hörbar jammerte er schluchzend mehrmals »Aber wie nur?« vor sich hin. Ihm liefen kalte Schauer den Rücken hinunter. Er schüttelte sich wie ein nasser Hund.
Benny packte seinen Freund mit beiden Händen an den Schultern. »Wolf, wir schaffen das schon. Du hast so viele Verbündete hier in der Stadt. Die sind alle von deiner Unschuld überzeugt: deine Kollegen, dein Freund Rainer, deine Familie – und nicht zu vergessen: ich.«
Tannenberg zog die Hände ein wenig nach unten, bettete sein stacheliges Kinn auf die Kuhlen der Innenflächen und blickte Benny mit wässrigen Augen direkt ins Gesicht.
»Mann, jetzt schau mich doch nicht so traurig an. Diesen Dackelblick hält ja kein Mensch länger als ein paar Sekunden aus.«
Um die in ihm aufkeimende Ergriffenheit zu bändigen, erhob sich Benny geschwind und wechselte dabei das Thema. »Ich habe uns was Gutes eingekauft. Was hältst du davon, wenn wir jetzt von hier wegfahren und uns ein ruhiges Plätzchen irgendwo an einem Waldrand suchen. Es kann nämlich gut sein, dass die hier bald den Parkplatz absperren.«
Tannenberg wurde von Panik erfasst. »Ja, stimmt. Daran hab ich noch gar nicht gedacht. Dann säßen wir wirklich richtig in der Falle.«
Mit flinken Bewegungen kramte er aus seinem Rucksack eine Wanderkarte hervor. Zuerst suchte er ihren gegenwärtigen Standort und klopfte mit seinem rechten Zeigefinger kurz auf die entsprechende Stelle. Dann schickte er ihn schlängelnd auf die Reise zu dem von ihm spontan als geeigneten Rastplatz auserkorenen Punkt. Es handelte sich dabei um einen etwas versteckt gelegenen Waldparkplatz, von dem aus ein breiter Fahrweg zu dem südlich von Dansenberg gelegenen Jagdhausweiher führte.
Als er mit seinem Finger dort angekommen war, sagte er mit nervös zuckenden Mundwinkeln: »Benny, genau da fahren wir jetzt sofort hin.«
»O.K., Wolf, du dirigierst mich wieder von hier hinten aus«, meinte Benny und kletterte auf den Fahrersitz.
Tannenberg stimmte mit einem eifrigen Kopfnicken zu, während er seinen flackernden Blick zu dem schweren, braunen Vorhang hinwandte, der das Führerhaus vom Wohnbereich abtrennte. Der Vorhang war nicht vollständig geschlossen, sondern wies einen etwa zwanzig Zentimeter breiten Schlitz auf, durch den er sich mit Benny während der Fahrt sehr gut verständigen konnte. Zwar war die Sicht von dieser Sitzposition aus etwas eingeschränkt, aber da Tannenberg sich in seiner Heimatstadt sehr gut auskannte, reichte ihm diese Perspektive völlig aus, um seinem Freund den richtigen Weg zu zeigen.
»Zu dir in die Fahrerkabine kann ich mich ja leider nicht setzen«, stellte Tannenberg mit Bedauern fest.
»Nein, denn dann wäre unser Versteckspiel wohl ziemlich schnell zu Ende. Du bist ja hier in der Stadt bekannt wie ein – « Der farbige Holländer brach ab, weil ihm allem Anschein nach nicht der richtige Begriff einfiel.
»Bunter Hund«, sprang ihm sein Freund hilfreich zur Seite. »Und wenn wir dort sind, erzählst du mir endlich, was du im K1 erfahren hast.«
»Mach ich. Aber nicht während der Fahrt. Ich muss mich konzentrieren. Sonst baue ich noch einen Unfall.«
Gleich nachdem Benny das Wohnmobil nur ein paar Meter von der Landesstraße entfernt unter einem weit über den Weg herabhängenden Blätterdach abgeparkt hatte, kletterte er zurück ins Wageninnere und informierte Tannenberg nun endlich ausführlich über das, was er von dessen Kollegen erfahren hatte.
»Faserspuren meiner Kleidung und meine Hautpartikel unter ihren Fingernägeln. Und dann auch noch eine 5000-Euro-Überweisung von meinem Konto auf das dieser Leonie.« Tannenberg warf seinen Kopf in den Nacken, stieß dabei ein geradezu diabolisches Lachen aus. »Diese Dreckschweine haben wirklich ganze Arbeit geleistet. Das muss man ihnen lassen.«
»Komm, Wolf, beruhige dich. Mit diesen neuen Informationen sollten wir jetzt erstmal versuchen, den Mord an der Studentin zu rekonstruieren.«
»Ich hab gar nicht gewusst, dass ich überhaupt einen derart hohen Überziehungsrahmen habe«, meinte Tannenberg, ohne zunächst auf Bennys Aussage einzugehen. Er senkte den Kopf zum Boden hin, durchfurchte sich mit beiden Händen die verschwitzten Haare. Plötzlich schien er sich dessen, was Benny gerade zu ihm gesagt hatte, zu erinnern.
»Gute Idee«, lobte Tannenberg. »Vielleicht entdecken wir ja irgendwo eine Schwachstelle, über die wir diesen elenden Mistkerlen auf die Schliche kommen
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