Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
einfach kein guter, neutraler Gesprächspartner bin, sondern immer gleich meinen Senf zu allem und jedem dazugeben muss.«
»Aber genau das mag ich doch so an dir. Weil man dir einfach immer direkt anmerkt, was du denkst und was du wirklich fühlst.«
Tannenbergs Gesicht leuchtete auf.
»Wolf, ich will das Baby ja haben. Ich freue mich eigentlich wie verrückt. Aber ich hab eben auch Angst ...«
»Wovor hast du Angst?«
Marieke hielt den Atem an, wollte augenscheinlich nicht weiterreden. Doch sie konnte dem Überdruck in ihrem Mund nur wenige Sekunden standhalten.
»Ich hab auch ... ein bisschen Angst ..., wie Max reagieren ...«, kam es zögerlich über ihre Lippen.
»Ach, Max weiß noch gar nicht, dass er Vater wird?«, warf Tannenberg verwundert dazwischen.
»Nein. Ich weiß es doch selbst erst seit einer halben Stunde. Und ich seh Max ja erst wieder übermorgen. Er ist bei einem Kongress in München. – Am Telefon will ich ihm das nicht sagen.«
»Klar, versteh ich.«
»Ich hab auch Angst davor, wie Mama und Papa reagieren werden ... und Oma und Opa. Und außerdem weiß ich nicht, wie ich das alles schaffen soll. In zehn Monaten will ich doch mein Abi machen.«
Tannenberg brummte verständnisvoll. Er nahm ihren Kopf in seine Hände, lächelte sie schweigend an. Dann strich er ein geflochtenes Haarstränchen aus ihrem ebenmäßigen Gesicht.
Marieke kniff die Augenlider zusammen. »Aber, egal, was die alle meinen und egal, wie viele Probleme es geben wird, ich kann doch diesen armen kleinen Wurm in mir nicht töten lassen, oder?«
Nun wurden auch Tannenbergs Augen feucht. Er schniefte, putzte sich die Nase. Ihrer beiden Blicke trafen sich.
»Marieke, es ist allein deine Entscheidung.« Er schöpfte tief Luft, seufzte. »Die kann dir niemand abnehmen. Ich kann dir nur versprechen, dass ich dir, egal wie du dich entscheiden wirst, helfen werde. Und um deine Eltern und Großeltern machst du dir am besten überhaupt keine Sorgen. Die wird natürlich zunächst der Schlag treffen. Aber wenn die erstmal alle ihren Schock überwunden haben, wirst du sehen, dass sie deine Entscheidung ebenfalls akzeptieren werden. Übrigens bin ich mir ganz sicher, dass dein Max, jedenfalls so wie ich ihn einschätze, vor Begeisterung total ausflippen wird.«
Marieke nickte stumm und bedachte ihren Onkel mit einem dankbaren Lächeln.
2
»Wolf, ich hab eben etwas reinbekommen, das zu unserem Ring passen könnte«, rief Michael Schauß durch die sperrangelweit geöffnete Tür seines Dienstzimmers.
Bereits kurz darauf stand der junge, athletische Kriminalbeamte vor Tannenberg. Er trug Jeans und ein dunkelblaues Polohemd, das seinen muskulösen Körper mehr als nur erahnen ließ. Er wedelte aufgeregt mit einem Fax, das er umgehend an seinen Vorgesetzten weiterreichte. Petra Flockerzie, die altgediente Sekretärin des K1, saß an ihrem Schreibtisch und präsentierte gerade Schauß Ehefrau Sabrina wortreich ein in der Mittagspause erworbenes Diätbuch.
»So ein Shit!«, fasste Tannenberg seinen Unmut in prägnante Worte. »Da hat doch tatsächlich eine Studentin ihren Freund als vermisst gemeldet. Und was glaubt ihr wohl, wie die Frau heißt?«
»Leonie?«, fragte Sabrina reflexartig. Kaum einen Wimpernschlag später war ihr jedoch schon klar, dass sie sich die Antwort auf diese rhetorische Frage eigentlich hätte sparen können.
Tannenberg nickte zustimmend in ihre Richtung. »Ja, leider.«
»Ach, herrje, die Arme«, bemerkte Petra Flockerzie seufzend und klappte ihren neuen Diätratgeber zu.
»Michael, ruf mal die Kollegen an und frag nach, ob die Studentin noch bei ihnen auf der Wache ist!« Nach einer kurzen Besinnungspause ergänzte Tannenberg: »Und wenn nicht, lass dir genau erklären, wo sie wohnt!«
Der junge Kommissar verschwand in seinem Büro und telefonierte. Nur wenig später verkündete er von seinem Schreibtisch aus, dass die Studentin die Wache inzwischen verlassen habe und ins rote Wohnheim gefahren sei, wo sie im 10. Stock ein Appartement bewohne.
»Gut Michael, dann ruf sie mal an und sag ihr, dass wir gleich bei ihr aufkreuzen werden«, sagte Tannenberg und signalisierte Sabrina mit eindeutiger Gestik, dass sie ihn bei diesem unerfreulichen Dienstgang begleiten solle.
Das Studentenwohnheim befand sich in unmittelbarer Nähe der Technischen Universität. Der Gebäudekom-plex setzte sich aus einem blauen und einem direkt daran angegliederten, roten Hochhaus zusammen.
Die beiden
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