Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
in der Jagdhütte ein.
»Nein, eigentlich nicht«, brummelte Tannenberg.
»Na, endlich. – Wer bleibt dann noch?«
»Na ja, ich hab ja vorhin schon angefangen, die Leute aufzuzählen. Aber du hast mich ja abgewürgt.«
»Ich weiß, aber jetzt darfst du.«
»Also gut, Rainer, dann eben noch einmal: Da wären zum Beispiel Putzfrauen, Handwerker, Kollegen aus anderen Kommissariaten, Staatsanwälte, Praktikanten, Fensterputzer, Zeugen, Verdächtige, Einbrecher, Hausmeister.«
»Und nicht zu vergessen: die Herren Kriminaldirektor und Polizeipräsident.«
»Rainer, du nervst!«
»Aber, wo er recht hat, hat er recht«, meinte Benny.
»Leider«, seufzte Tannenberg. »Aber was solls. Wir müssen zunächst einmal abklären, ob unsere Wanzen-Theorie überhaupt stimmt.«
Dr. Schönthaler streckte den erhobenen Zeigefinger empor, bewegte ihn anschließend im Takt seiner Worte auf und ab. »Nur wenn diese Theorie tatsächlich zutreffen sollte, würde sie uns eine ausgesprochen interessante Möglichkeit eröffnen.«
Tannenberg wusste genau, auf was sein alter Freund hinauswollte. »Du meinst: Wenn wir die Mikros nicht ausbauen und einfach so weitermachen, wie wenn wir nichts davon wüssten, dann könnten wir sie strategisch für unsere Zwecke nutzen – weil wir damit endlich einen direkten Draht zu den netten Herrschaften hätten?«
Der Rechtsmediziner stimmte lächelnd zu.
»Weißt du, was ich irgendwann mal von Sabrina gelernt habe? Sie ...«
»Was hast du eben gesagt? Ich glaub es einfach nicht!«, fuhr Dr. Schönthaler rücksichtslos seinem alten Freund in die Parade.
»Benny, hast du das gehört? Du bist gerade Zeuge eines extrem außergewöhnlichen Ereignisses geworden: Hauptkommissar Wolfram Tannenberg hat nämlich gerade zugegeben, dass er von jemand anderem etwas gelernt hat.« Er faltete die Hände, warf sie betend gen Himmel: »Hab Dank, oh Herr, dass ich das noch erleben durfte!«
»Ha, ha. Sabrina ist Kampfsportlerin. Und da heißt es doch: Nutze die Kräfte deines Gegners für dich selbst.«
Als Tannenberg den Vornamen seiner Kollegin aussprach, tauchte plötzlich vor seinem geistigen Auge die Szene am verhüllten Reiterdenkmal auf. Er hielt das Mobiltelefon des Gerichtsmediziners immer noch in seiner Hand. Seine Finger begannen damit, Sabrinas Handynummer einzutippen.
»Wen willst du denn jetzt schon wieder anrufen?«, fragte Dr. Schönthaler mit besorgter Miene.
Tannenberg unterbrach daraufhin die Tastaturbedienung, blickte ihn gedankenversunken an. »Ich will mich nur bei Sabrina erkundigen, wies ihr geht.«
Anschließend fuhr er mit der Nummerneingabe fort. Er lauschte dem Rufton. Aber niemand meldete sich. Er zog das kleine silberne Handy vom Ohr, legte es aber nicht auf dem Tisch ab, sondern hielt es mit angewinkeltem Arm in etwa dreißig Zentimeter Abstand vor sein Gesicht.
»So siehst du aus wie die Freiheitsstatue vor Manhattan, nur dass die eine Fackel in der Hand hält.«
Tannenberg nahm diesen albernen Einwurf des Rechtsmediziners nur am Rande wahr. Zu tief war er in die Welt seiner Gedanken versunken. Er schien unschlüssig zu sein, was er nun tun sollte, knetete mit der anderen Hand nachdenklich sein Kinn. Dann tippte er abermals auf den weichen Zifferntasten herum. Den fragenden Blick Dr. Schönthalers beantwortete er lediglich mit einem einzigen Wort: »Max.«
»Gott sei Dank, rufst du endlich an«, meldete sich Maximilian Heidenreich
»Wa... wa... was ... ist denn los?«, stammelte Tannenberg, dem die Angst um seine Familie wie ein Stromschlag in alle Glieder gefahren war.
Max interpretierte die Reaktion seines Gesprächspartners intuitiv richtig. Sogleich schob er nach: »Wolf, um uns musst du dir keine Sorgen machen. Hier ist alles ruhig. Ich hab nur noch mal über unser Treffen nachgedacht. Meinst du nicht, dass die Sorge um deine Familie etwas übertrieben ist?«
»Nein, Max, das meine ich ganz und gar nicht«, erwiderte Tannenberg mit unüberhörbarer Schärfe in der Stimme. »Außerdem hat ein bisschen zu viel Vorsicht noch niemandem etwas geschadet. – Ist einer meiner Kollegen bei euch?«
»Ja. – Oder vielmehr: nein.«
»Ja, was denn nun?«
»Kommissar Fouquet war da, ist jetzt aber nicht mehr da.«
»Und ... und wo ist er?«
»Im Seniorenheim.«
»Was? Im Seniorenheim? Wieso, ist was mit meinen Eltern?«
»Nein, Wolf. Um sie musst du dir wirklich keine Sorgen machen. Mit ihnen ist alles in Ordnung. Nein, es geht um etwas anderes.«
»Was anderes? Ich
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