Wolfsfeder
Umgebung
zurückziehen zu können. »Bin gleich wieder da.«
»Kai und Finn können ja mitgehen«, schlug
Kreinbrink vor, »und Ihnen tragen helfen.«
»Nein, das geht nicht«, fuhr Mendelski
dazwischen. Eine Spur zu energisch, wie Maike befand. Etwas verbindlicher fügte
er hinzu: »Ich brauche die Jungs hier am Pool. Wir müssen da noch etwas
klarstellen. Ich schicke Ihnen gleich jemand anderes.«
Kaum war die Haushälterin hinter den
beiden Eiben verschwunden, hatte Maike wieder das Handy am Ohr.
»Nummer eins ist im Anmarsch«, flüsterte
sie.
* * *
Sie saß am Küchentisch.
Mit dem Rücken zu der Tür, die zur
Waschküche führte. Zurückgelehnt in ihrem Stuhl. Die Fingerkuppen ihrer
schlanken Hände ruhten auf der Tischkante. Doch die Finger lagen nicht
spielerisch leicht auf dem Holz, sondern pressten sich vor Anspannung auf die
hell gescheuerte Tischplatte.
Ihre dunklen Augen waren zu schmalen
Schlitzen zusammengekniffen. Ihr Blick wirkte hoch konzentriert.
Sie lauschte angespannt.
Da hörte sie, dass sich Schritte näherten,
schnelle trippelnde Schritte. Sie hörte, wie jemand die Tür zur Waschküche
öffnete – und dann innehielt.
* * *
Wie vom Blitz getroffen blieb
Irene Hogreve stehen.
Keine vier Meter entfernt saß, mit dem
Rücken zu ihr, eine junge Frau am Küchentisch. Der Anblick war ihr
vertraut – dieses üppige, pechschwarze lockige Haar, die zierlichen
Schultern, die dunkle Haut …
»Yadira?«, entfuhr es ihr unbewusst.
Langsam, ganz langsam drehte sich die
junge Frau um. Mit großen schwarzen Augen fixierte sie die Haushälterin.
Irene Hogreve strauchelte, jegliches Blut
wich aus ihrem Gesicht. Nur mühsam hielt sie sich auf den Beinen.
»Tatsächlich«, schrie sie hysterisch.
»Mein Gott, wie … Du warst doch tot!« Keuchend holte sie Luft. »Mausetot«,
kreischte sie. »Ich hab’s doch genau gesehen, du lagst da unten im Wasser, auf
dem Grund des Schwimmbeckens …«
Die junge Frau antwortete nicht. Sie erhob
sich und machte einen Schritt auf Irene Hogreve zu. Mit der rechten Hand griff
sie nach dem Amulett in ihrem Ausschnitt, einem winzigen Knöchelchen an einem
Lederband.
»Du hast mich getäuscht … hast mir
was vorgespielt, du Aas!«, schrie die Haushälterin böse. Sie wollte sich auf
ihr Gegenüber stürzen, als zwei Türen aufflogen, die zum Flur und die zur
Speisekammer. Strunz, Kleinschmidt und Ellen Vogelsang stürmten mit gezückten
Pistolen herein.
»Halt, Polizei!«, brüllte Strunz.
»Zurück!«
Doch das beeindruckte Irene Hogreve nicht.
Wie eine Furie versuchte sie, die junge
dunkelhaarige Frau, die regungslos mitten in der Küche stehen geblieben war, an
der Schulter zu packen.
Sie kam nicht weit. Noch bevor sie ihr
Opfer berühren konnte, hatten Strunz und Kleinschmidt die rasende Frau gepackt.
Die beiden zwangen ihre Hände auf den Rücken und legten ihr Handschellen an.
Währenddessen kreischte die Haushälterin in ungebremster Wut weiter: »Nein!
Lasst mich! Sie soll zur Hölle fahren … sie hat es doch verdient!«
Keuchend tauchten Mendelski und Maike in
der Waschküchentür auf. Den Weg vom Blockhaus bis hierher waren sie gerannt.
»Puh«, stieß Mendelski hervor. »Und?
Volltreffer?« Dann fiel sein Blick auf die Person in der Mitte der Küche.
Verblüfft starrten Maike und er sie an.
Heiko Strunz nickte nur. Er drückte die
sich windende und jetzt wimmernde Irene Hogreve auf einen Stuhl, wo
Kleinschmidt ihre Schultern mit eisernem Griff festhielt. Dann atmete er tief
durch und ging auf die junge dunkelhäutige Frau zu, die immer noch wie eine
Statue mitten im Raum stand. »Darf ich vorstellen«, sagte er zu Mendelski und
Maike. Er sprach laut, sodass auch Irene Hogreve ihn verstehen konnte. »Dania
Martinéz aus der Dominikanischen Republik. Die Zwillingsschwester von Yadira.«
ZWÖLF
Irene Hogreve war ins Wohnzimmer
der Kreinbrinks gebracht worden. Nachdem sie ihre Selbstbeherrschung
wiedergefunden hatte, nahm Jo Kleinschmidt ihr die Handschellen ab, blieb aber
schräg hinter ihr stehen.
Jetzt hockte sie auf dem Sofa, gegenüber
von Mendelski und Maike Schnur, die ihren Schreibblock bereithielt, um die
Aussage mitzuschreiben. Die Hände hatte die Haushälterin im Schoß vergraben.
Heiko Strunz, an die Fensterbank gelehnt, hörte schweigend zu. Ellen Vogelsang
kümmerte sich derweil um Dania Martinéz.
Nachdem er die Haushälterin über ihre
Rechte und insbesondere das Aussageverweigerungsrecht informiert hatte,
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