Wolfsfeder
zunächst jedenfalls, wenn ich das
richtig verstanden habe.« Er schaute wieder zu Mendelski hinüber. Der nickte
nur. »Das Schüsseltreiben findet, wie ursprünglich geplant, um achtzehn Uhr im
Gasthof Cohrs in Endeholz statt«, von Bartling schaute auf seine Armbanduhr,
»also in genau eineinhalb Stunden. Jetzt übergebe ich an Hauptkommissar
Mendelski.«
Der machte einen Schritt nach vorn. »Meine
Damen, meine Herren!«, begann er sachlich nüchtern. »Bitte haben Sie
Verständnis dafür, wenn ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten
Auskünfte zu dem Vorfall geben kann. Wir stehen ja erst ganz am Anfang der
Ermittlungen. Daher muss ich Sie bitten, uns für ein paar Fragen zur Verfügung
zu stehen. Um keine Zeit zu verlieren, möchten meine Kollegen und ich das
heutige Schüsseltreiben dazu nutzen, so viele Informationen wie möglich von
Ihnen zu bekommen. Denn für uns kann jeder noch so kleine Hinweis wichtig sein.
Wer nicht zum Schüsseltreiben erscheinen kann, meldet sich bitte jetzt …«
Zwei kurz hintereinander in unmittelbarer
Nähe abgegebene Schüsse ließen Mendelski verstummen.
Irene Hogreve hatte noch
versucht, Kai zurückzuhalten, aber es war vergebens gewesen. Nachdem sich
Kreinbrink senior und von Bartling zu einem vertraulichen Gespräch
zurückgezogen hatten, war Kai zum Geländewagen seines Vaters gerannt und hatte
sich darin eingeschlossen.
Dort war er auch sitzen geblieben, als das
Jagdhornsignal erklungen war und von Bartling mit seiner Ansprache begonnen hatte.
Niemand – auch Frau Hogreve nicht, die aufmerksam den Worten des Jagdherrn
lauschte – hatte mitbekommen, wie Kai nach einer Weile doch neugierig
geworden war und die Scheibe heruntergelassen hatte, um zu hören, was da
gesprochen wurde.
Als er von Bartling sagen hörte: »Das
Schüsseltreiben findet, wie ursprünglich geplant, um achtzehn Uhr im Gasthof
Cohrs in Endeholz statt«, wollte Kai Kreinbrink, der diese Feststellung aus dem
Zusammenhang gerissen vernommen und nicht mitbekommen hatte, dass die Polizei
die Jagdgesellschaft dort befragen wollte, seinen Ohren nicht trauen. Außer
sich vor Wut presste er hervor: »Schüsseltreiben … als ob nichts geschehen
wäre. Ich glaub, ich spinne!«
Hitzig hatte er nach dem Gewehrfutteral
auf der Rückbank geangelt, es zu sich nach vorn geholt, den Reißverschluss
geöffnet und die Waffe hervorgezogen. Mit zittriger Hand hatte er die
Doppelbüchse aufgeklappt, zwei Patronen in die Läufe geschoben, die Waffe
wieder verschlossen und die Wagentür geöffnet.
Neben dem Auto stehend, die Läufe in den
grauen Nachmittagshimmel gerichtet, hatte er beide Abzüge betätigt.
Als sich die versammelte Jagdgesellschaft
entsetzt – einige hatten unwillkürlich den Kopf eingezogen oder sich sogar
geduckt – und geschlossen zu ihm umgedreht hatte, schrie er aus
Leibeskräften: »Das könnt ihr doch nicht …«
Weiter kam er nicht.
Jo Kleinschmidt und Heiko Strunz hatten
direkt neben dem Geländewagen der Kreinbrinks in ihrer Caravelle gewartet und
den jungen Mann mit dem Gewehr aus dem Auto steigen sehen.
Nach kurzem Blickkontakt waren die beiden
Polizisten in geübter Manier aus ihrem Auto geschnellt und hatten sich von zwei
Seiten dem Schützen genähert. Noch bevor Kai Kreinbrink seinen Satz beenden
konnte, hatten sie ihm die Waffe entwunden und hielten ihn im Polizeigriff
fest.
»Ganz ruhig«, bellte ihm Kleinschmidt ins
Ohr. »Sie wollen sich doch nicht unglücklich machen.«
Eine halbe Stunde später deutete
nichts mehr auf die turbulenten Ereignisse des Nachmittags hin. Ein lauer
Herbstwind ging über die verwaiste Lichtung hinweg und trieb verspielt einen
Pulk welker Birkenblätter vor sich her.
Sämtliche Fichtenzweige, die noch vor
Kurzem den Streckenplatz geschmückt hatten, waren in Plastiksäcke gestopft und
auf die Polizeifahrzeuge, auch die von der Station aus Eschede, verteilt
worden. Die Äste sollten im Labor auf mögliche Spuren untersucht werden.
Mendelski und Maike Schnur hatten Kai
Kreinbrink in ihr Auto verfrachtet und fuhren mit ihm nach Eschede, um ihn nach
Hause zu bringen. Der junge Mann war in der Zwischenzeit einigermaßen zur Ruhe
gekommen, das Missverständnis beigelegt. Der Kommissar hatte ihm klargemacht,
warum das Schüsseltreiben trotz des Zwischenfalls nicht abgesagt worden war.
Kreinbrink senior und die Haushälterin Irene Hogreve waren in ihren eigenen
Autos vorausgefahren.
Von Bartling und zwei Jagdkumpane waren
mit der
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