Wolfsfeder
verstört zu Boden blickenden Kai
im Arm, während neben ihnen Kreinbrink senior regungslos ins Leere starrte.
»Nur ruhig, mein Junge«, sagte sie mit
brüchiger Stimme. »Sie wird nicht groß gelitten haben.«
»Was heißt hier groß gelitten?« Seine
Stimme klang matt. »Sie ist tot, verstehst du? Yadira wird nie mehr
zurückkommen.«
»Ich meine …« Die Haushälterin
versuchte, die richtigen Worte zu finden.
»Frau Hogreve meint’s doch nur gut«, sagte
Konrad Kreinbrink. Er legte dem Sohn seine Hand auf die Schulter. »Und sie hat
wahrscheinlich sogar recht. Soweit ich das mitbekommen habe, sind keine
Verletzungen zu erkennen.«
»Aber, wie ist sie denn … gestorben?«
»Sie wissen noch nichts Genaues.
Wahrscheinlich wird man uns gleich informieren. Doch ich denke, dass erst die
Obduktion endgültige Klarheit bringt.«
Kai ließ nicht locker. Er schälte sich aus
der Umarmung von Irene Hogreve und drohte mit bebender Stimme: »Wenn sie
vergewaltigt wurde, bringe ich das Schwein um!«
»Junge!« Frau Hogreve blickte ihn
erschrocken an. »Sag nicht so was.«
»Wie sie da so liegt«, fuhr Kai unbeirrt
fort, während er sich wieder seinem Vater zuwandte, »kann es doch nur ein
Schwerverbrechen sein, oder?«
Der zuckte schweigend mit den Schultern.
»Bei einem Unfall hätte man sie doch nicht
so aufgebahrt.«
Konrad Kreinbrink hob nur ratlos die
Augenbrauen.
»Und warum ausgerechnet hier? Hier auf dem
Streckenplatz? Was hat das zu bedeuten?« Wie aus dem Nichts stieg der Jähzorn
in dem Jungen hoch. »Hat ihr Tod etwa mit uns Jägern zu tun?« Seine Stimme
überschlug sich fast, als er rief: »Ist der Täter gar einer von uns?«
»Kai, bitte …«
In diesem Augenblick trat von Bartling zu
ihnen. Sein Gesichtsausdruck war äußerst angespannt. »Konrad«, sagte er
bitterernst, »ich muss dich kurz sprechen.«
* * *
Die müden Jagdhunde dösten in
den Autos oder auf den Pritschen oder träumten bereits von der nächsten
Drückjagd, als das Hornsignal »Sammeln« sie unsanft weckte. Irritiert warfen
sie auf und lauschten. Einige ließen es sich nicht nehmen, sich noch einmal
mühsam auf die Pfoten zu begeben, um mit einem schrecklich unmelodischen Jaulen
die zwei Jagdhornbläser zu begleiten.
Heiko Strunz, Ellen Vogelsang und Jo
Kleinschmidt, die gerade ihre Utensilien im Transporter verstauten, hielten
inne.
»Was für eine herrliche Art, sich zu
verständigen«, meinte Strunz. »Und praktisch allemal.«
»Dass es so was im Zeitalter der Handys
noch gibt«, wunderte sich Kleinschmidt. »Immerhin arbeiten sie nicht mehr mit
Rauchzeichen, so wie früher.«
»Das musst du verwechseln.« Ellen
Vogelsang versuchte vergeblich, ernst zu bleiben. »Das mit den Rauchzeichen
waren nicht die Heidjer, sondern die Indianer …«
Auf Anweisung von Mendelski
hatte von Bartling seine Truppe mittels Hornsignal zusammengetrommelt. Nun
stand der Jagdherr vor der versammelten Korona und sagte – nicht
militärisch knapp, wie sonst, sondern mit verhaltener, pastoraler Stimme:
»Liebe Waidgesellinnen, liebe Waidgesellen. Leider ist der heutige Jagdtag, der
so wunderbar begonnen hatte, durch einen tragischen Zwischenfall gestört und
abgebrochen worden. Auf dem Streckenplatz, wo wir eigentlich zu dieser Stunde
das erlegte Wild präsentieren, Brüche verteilen und die Strecke verblasen
wollten, wurde am frühen Nachmittag die Leiche einer jungen Frau entdeckt.«
Der Jagdherr machte eine Pause und schaute
zu Mendelski und Maike Schnur hinüber, die wenige Meter entfernt standen.
Ȇber den aktuellen Stand der Ermittlungen
wird Ihnen gleich Hauptkommissar Mendelski von der Polizeiinspektion Celle
alles Notwendige sagen. Das Streckelegen entfällt heute selbstredend. Jedoch
wird das Schüsseltreiben auf ausdrücklichen Wunsch der Polizei stattfinden,
wenn auch nicht in der gewohnten feierlichen und ausgelassenen Form – das
versteht sich wohl von selbst. Denn die Ermittlungsbeamten haben noch einige
Fragen an Sie. Wer nicht zum Schüsseltreiben kommen kann, möchte sich bitte bei
der Kommissarin Schnur abmelden.« Er räusperte sich. »Als Jagdleiter muss ich
der Polizei eine vollständige Liste der heutigen Jagdteilnehmer aushändigen;
ich gehe aber davon aus, dass das für niemanden von Ihnen ein Problem
darstellt.«
Beifälliges Gemurmel ertönte.
»Weiter soll ich Sie darauf hinweisen,
dass Sie nicht gezwungen sind, zu diesem Todesfall auszusagen. Die Befragung
geschieht auf freiwilliger Basis –
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