Wolfsfeuer (German Edition)
und Alex rappelte sich auf die Pfoten, dabei gerieten ihre Beine durcheinander, sodass sie beinahe hingefallen wäre. Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, vier Füße anstelle von zwei zu haben. Als sie endlich aufrecht stand, war Barlow verschwunden, und sie blieb allein mit dem Mond auf der Lichtung zurück.
Ihr Magen knurrte so grimmig, dass sie erschrak. Sie konnte nicht bestimmen, ob das kratzende Geräusch auf der Schneedecke von ihren eigenen Krallen oder denen eines anderen Tieres stammte.
Mit gesträubten Nackenhaaren ließ sie den Blick argwöhnisch über das offene Areal streifen, als sie den Geruch dieses anderen Tieres auffing.
In diesem körperlichen Zustand waren die Gerüche unwahrscheinlich präzise, trotzdem konnte sie diesen mit nichts verknüpfen. Sie wusste, sobald sie diesem Geruch ein Bild zuordnen konnte, würde sie ihn niemals wieder vergessen. Doch im Moment fühlte sie nichts als das intensive Bedürfnis weiterzurennen. Also gab sie ihm nach.
Alex legte allein viele Kilometer zurück, aber das störte sie nicht. Je weniger sie von Barlow sah, desto besser. Er würde sie nicht abhängen können. Sie roch ihn im Wind, im Gras. Verdammt, sogar der Schnee, der immer dichter und schneller fiel und schon die Wipfel der Bäume bedeckte, roch nach ihm.
Dann witterte sie etwas anderes. Etwas, das bewirkte, dass sich ihr von Neuem die Nackenhaare aufstellten und sie die Zähne fletschte, dann grollte ihr Knurren durch die frostige Nacht.
Blut .
Der Geruch war unverkennbar.
In geduckter Haltung, den Bauch tief am Boden, kroch Alex weiter. Sie bemühte sich, so leise wie möglich zu sein, aber egal, wie sehr sie sich anstrengte, immer landete eine ihrer Pfoten auf einem Stock oder einem Stein – knacks, klack, komm und hol mich .
Sie schnupperte noch mal. Roch nicht nur Blut, sondern Tod. Verflixt! Sie hatte Barlow doch selbst umbringen wollen.
Es war komisch, aber die Vorstellung, dass er tot sein könnte, animierte sie nicht dazu, sich vor Freude jaulend im Schnee zu wälzen. Stattdessen entrang sich ihr ein panisches Keuchen. Sie drehte sich langsam im Kreis, sah jedoch nichts als Bäume.
Ein Wimmern entschlüpfte ihr, und sie wischte sich verärgert mit einer Pfote über die Schnauze. Herumzuheulen würde ihr nicht weiterhelfen.
Sie schaltete ihren menschlichen Verstand ein, zwang sich, klar zu denken. Barlow konnte nicht tot sein. Sie hatte keinen Schuss gehört. Nicht, dass eine Silberkugel die einzige Art zu sterben wäre.
Entspann dich! , sagte sie sich in Gedanken. Sollte Barlow zu Asche verbrannt sein, könnte sie in die Zivilisation zurückkehren, Mandenauer ausfindig machen und ihn zwingen, sie zu heilen.
Nur, dass niemand Edward zu irgendetwas zwingen konnte.
Alex kam ein Gedanke, den sie bisher nicht in Erwägung gezogen hatte. Selbst wenn sie diese Mission erfolgreich zum Abschluss brächte, würde Edward sie überhaupt heilen?
Wieso sollte er, wo sie doch die perfekte Spionin abgab?
Sie stellte fest, dass sie an ihrer eigenen Pfote nagte wie ein Tier, das in der Falle saß.
Denn das tat sie. Den verfluchten Edward Mandenauer sollte der Teufel holen.
Wilde Energie schoss in ihr hoch. Angetrieben von dem Verlangen zu jagen, zu knurren, zu kämpfen, stürzte Alex aus dem Unterholz.
Das Einzige, was sie fand, war ein frisch getöteter Hase, dessen Blut sich als scharlachroter Fleck auf dem blütenweißen Schnee abzeichnete.
Sie vertilgte ihr Abendessen in kürzerer Zeit als es gedauert hatte, es »zuzubereiten«. Auch wenn sich die »Alex« in ihrem Inneren vor Ekel krümmte, genoss der Wolf die Mahlzeit. Es gab nichts Besseres auf leeren Magen als frisches Fleisch.
Als sie fertig war, sah sie sich nach mehr um, aber sie war nicht die Einzige, die Blut und Tod im Wind gewittert hatte. Wie es schien, hatte jede kleine pelzige Kreatur in der Umgebung die Flucht ergriffen.
Alex nahm Barlows Fährte wieder auf. Sie legte Kilometer um Kilometer zurück, bis der Mond zu sinken begann. Sie wurde nicht müde, aber durstig. Zum Glück gab es jede Menge Schnee, und in der Ferne roch sie Wasser. Reichlich.
Sie beschleunigte ihr Tempo; das Wasser war nah, doch sie erkannte schon jetzt, dass es sich nicht zum Trinken eignete. Ihre Nase war ein erstaunliches Instrument.
Die Bäume lichteten sich, dann erreichte sie den Waldrand und überblickte das flache Land, das ans Meer grenzte. Das schimmernde Mondlicht, das sich in den Eisschollen spiegelte, blendete sie. Ein
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