Wolfsfieber
draußen
an. Istvan wartete offensichtlich auf mich. Ich sollte zu ihm
nach draußen kommen. Ich sah mich hektisch um, drängte
mich an die Wand, nahm mir nicht einmal die Jacke und
ging nach draußen. Es schien niemandem aufzufallen. Als
ich die eiskalte Nachtluft an meinen Beinen fühlte, bekam
ich Gänsehaut. Ich versuchte etwas zur Seite zu gehen, so-
dass die Leute von drinnen uns nicht gleich sehen konnten.
„Was zur Hölle machst du hier, Istvan?“, fuhr ich ihn er-
schrocken an und versuchte zu flüstern.
„Ich musste kommen. Deine Nachricht hat mich beun-
ruhigt. Wieso hast du mir nicht vorher erzählt, was du heu-
te Nacht vorhaben würdest?“, wollte er von mir wissen und
starrte mich anklagend an.
„ Kannst du dir das nicht denken? Ich habe es satt, meinen
Leibwächter ständig über meinen Aufenthaltsort zu infor-
mieren. Meinem Istvan hätte ich es erzählt, aber nicht mei-
nem Bodyguard. Du warst es doch, der entschieden hat, dass
wir von nun an nur noch … Was genau sind wir jetzt eigent-
lich? Klär mich doch bitte einmal auf!“, forderte ich von ihm.
Meine Stimme war hart und scharf. Ich hatte meine Zunge
nicht mehr unter Kontrolle.
„Du bist die Frau, die ich über alles liebe. Du bist die
Frau, die ich nicht verlieren will. Aber ich kann nicht mehr
derselbe Mann für dich sein. Du weißt doch, dass ich das
alles nur tue, um dich zu schützen, auch wenn du es hasst. Es
ist nicht das, was ich will, es ist aber das, was ich tun muss “,
erklärte er mir und ich hörte an seiner tiefen Stimme, dass
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er an einer Aussprache interessiert war, ohne dabei aber von
seiner Überzeugung abzuweichen.
„Hörst du mir eigentlich zu? Ich will deinen Schutz nicht.
Ich hasse das. Ich will dich. Eigentlich sollte ich da drinnen
sein und mich für Carla freuen, wirklich Freude empfinden,
aber ich kann mich kaum zusammennehmen. Ich muss mich
in jeder einzelnen Minute davon abhalten, laut zu schreien.
Ich kann bald nicht länger. Ich bin kurz davor, in Tränen aus-
zubrechen. Und du stehst hier und gönnst mir nicht einmal
eine einzige Umarmung! “, klagte ich ihn an und schluchzte
bereits mit gebrochener Stimme. Meine Hände verschränkte
ich vor der Brust, um wenigstens etwas Halt und Wärme zu-
sammenzuraffen. Nachdem ich die schmerzhafte Wahrheit
aus mir herausgepresst hatte, tat er einen Schritt auf mich
zu und sah mich mit einem warmen Blick an, der mir fast
wie eine Umarmung aus grünen Augen vorkam. Aber es war
nicht genug. Ich wollte tatsächlich seine Haut fühlen, sei-
nen Geruch einatmen und seine Wärme spüren. Ich wollte,
dass er meine Tränen trocknete, und wollte nicht selbst über
meine nasse Wange wischen. Er starrte schweigsam und zer-
rissen in mein Gesicht.
„Ich will dich nicht brauchen, aber ich brauche dich.
Ich wünsche mir, mehr als alles andere, dass du mich in
den Arm nimmst. Es ist mir völlig egal, wie gefährlich oder
falsch es ist. Es ist immerhin auch meine Entscheidung und
ich entscheide mich für uns!“ Trotz meiner Tränen sprach
ich klar und wild entschlossen. Ich machte einen Schritt
auf ihn zu, dann noch einen. So lange, bis ich dicht genug
vor ihm stand, um ihn zu küssen. Ich versuchte nicht, mit
den Händen nach ihm zu fassen, sondern ließ lediglich mei-
ne Lippen in seine Nähe kommen. Mein Mund hatte sei-
nen Mund beinahe schon erreicht, ich atmete nach langer
Zeit wieder seinen Atem ein. Doch ehe ich ihn tatsächlich
berührte, zog er sich wieder von mir zurück, genauso ent-
täuscht und aufgebracht. Er seufzte laut, dann fuhr er mich
erschrocken an:
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„Verstehst du nicht? Ich kann dich nie wieder anfassen.
Nie wieder. Nicht nachdem, was ich getan habe, Joe!“ Mein
Name klang aus seinem Mund plötzlich nicht nur wie eine
Anklage, sondern wie ein unabwendbares Urteil. Ich war
verletzt und fühlte mich von dem Mann zurückgewiesen,
den ich liebte. Seine Worte schnitten mir wie ein sengendes
Schwert tiefe Wunden in meinen erschöpften Körper.
„Wieso bist du dann überhaupt gekommen?“ , klagte ich
und stöhnte jetzt unkontrolliert, während die Tränen weiter
flossen.
„Weil ich nicht anders konnte. Ich kann nicht fernbleiben,
aber ich kann auch nicht zulassen, weiterhin deine Nähe zu
suchen“, flüsterte er jetzt.
Sein Blick war immer auf mich geheftet. Während wir uns
auf eine Armlänge Entfernung gegenüberstanden, schwiegen
wir uns jetzt an. Und das erste Mal
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