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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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angestrengt.
    Plötzlich riss er die Augen auf und fuhr zu Tode erschro-
    cken hoch. Er packte mich an der Schulter, seine grünen
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    Augen durchbohrten mich. Mein Herz hämmerte verängs-
    tigt, als ich seinen gehetzten Blick sah und seinen schweren
    Atem auf meinem Gesicht fühlte.
    „Es war ein Albtraum. Nur ein Albtraum“, versuchte ich
    ihn zu beruhigen. Meine flüsternde Stimme drängte sich an
    sein Ohr. Er musste noch im Halbschlaf sein, da er mich
    nicht abwehrte. Er stammelte bestürzt vor sich hin.
    „Du. Ich. Wir. So dunkel. So kalt. Wieder allein. So grauen-
    haft.“
    Seine grünen Augen brannten wie ein Phosphorfeuer aus
    Traurigkeit und Angst. Ich legte sanft meine Wange an seine
    und hoffte, es würde seinen rasenden Puls etwas senken. Er
    schien sich langsam zu beruhigen, bis ihm bewusst wurde,
    dass er zugelassen hatte, dass ich in seine Nähe kam. Blitz-
    artig riss er mich zurück und floh, vor mir, auf seine Sei-
    te des Bettes. Wieder taxierte er mich erschrocken. Er war
    sich jetzt der Realität bewusst und drückte seinen Körper,
    so weit wie möglich, von mir weg. Er kehrte mir den Rü-
    cken zu und täuschte mir vor, dass er wieder eingeschlafen
    wäre. Aber das ungleichmäßige Heben seiner Schulter be-
    stätigte meinen Verdacht. Er machte mir etwas vor. Ich legte
    mich ebenfalls zurück in meine Schlafposition und auch ich
    täuschte die Ruhe des Schlafes vor. Am nächsten Morgen
    tat Istvan so, als wäre nichts gewesen. Er erwähnte den Vor-
    fall mit keinem Wort. Er stand vor mir auf und ging in die
    Bücherei.
    Am frühen Nachmittag desselben Tages machte ich mich
    bereit für Carla und Christians Feier. Ich nahm mir den grü-
    nen Faltenrock und suchte in meinem Schrank nach einem
    passenden Oberteil, als meine Finger über das schwarze De-
    signerteil glitten, das mir Istvan geschenkt hatte. Ich über-
    legte lange, dann holte ich es hervor und streifte es über. Im
    Spiegel passte das seidene Oberteil gut zum dunkelgrünen
    Rock. Sogar mein Haar lag gut frisiert in sanften Wellen auf
    meinen Schultern. Das Einzige, was mein Aussehen negativ
    beeinflusste, waren die dunkelgrünen Flecken mit den gelb-
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    lichen Rändern, die noch immer über meinem Hals verteilt
    waren. Der Anblick ließ sofort Verzweiflung und Wut hoch-
    kommen. Ich versuchte, mit zusammengepressten Augen
    die zornigen Emotionen, die in mir brodelten, tief in mir zu
    vergraben. Mit einer derartig traurigen Wut konnte ich doch
    nicht auf Carlas Verlobungsparty erscheinen. Ich hatte mir
    fest vorgenommen, diesen Abend Carla zu schenken und ihr
    zuliebe die alte Freundin zu sein, die sie verdiente.
    Bevor ich aus dem Haus ging, kramte ich noch in den
    alten Sachen meiner Mutter und suchte nach ihrem dunkel-
    grünen Tuch mit silbernen Fäden darin. Er war schick genug
    für eine Feier und hatte eine silberne Brosche, die den Stoff
    fest genug um meinem Hals zusammenhielt, damit niemand
    meine verdammten Male zu sehen bekam. Erleichtert fand
    ich ihn und legte das Tuch über. Istvan würde nach der Öff-
    nungszeit vorbeikommen, um mich abzuholen. Doch dieses
    Mal würde ich nicht da sein. Mit einem Stift aus meiner
    Handtasche und einem kleinen Klebezettel schrieb ich ihm
    eine kurze Nachricht, die ich auf die Tür klebte.
    „Bin bei Carlas Verlobungsfeier. In Wart. Kann nicht sa-
    gen, wann ich zurück sein werde. Warte nicht auf mich. J.“
    Ich stieg ins Auto und fragte mich, wie er meinen Allein-
    gang wohl aufnehmen würde. Vermutlich wäre er froh, dass
    ich anfing, ihn zu meiden. Schon der Gedanke, dass er wirk-
    lich so reagieren könnte, beunruhigte mich, obwohl ich es
    war, die den ersten Schlag austeilte. Ich kam mir nicht nur
    kindisch vor, ich war kindisch. Das machte also ständige Zu-
    rückweisung aus einer Frau oder zumindest aus mir: eine
    infantile Idiotin.
    Als ich um Punkt fünf vor dem italienischen Restaurant
    in Wart ankam, das am anderen Ende des Parks lag, nur ein
    paar Meter von unserem Lieblings-Chinesen entfernt, konn-
    te ich schon von draußen Carla erkennen, die mit hektischen
    Gesten die Kellner herumscheuchte. Sie machte auf mich
    einen nervösen Eindruck. Ich öffnete die gläserne Flügeltür
    und stürmte zu ihrer Unterstützung an ihre Seite.
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    „Hi, wie ich sehe, hast du die Kellner bereits unter deiner
    Fuchtel“, scherzte ich und lächelte etwas überzogen. Ich war
    dabei, mich in die richtige Stimmung zu zwingen.
    „Oh, Gott sei Dank, du bist da. Hi! Ich

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