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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber
Autoren: R Adelmann
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nicht, ich fühlte
    es nicht.
    „Ja, ich hab’s gehört. Würde es dich sehr schockieren,
    wenn ich dir sage, dass es mir eigentlich egal ist?“, nuschelte
    ich vor mich hin, müde und wehrlos.
    „Natürlich. Wieso sollte es dir egal sein? Eine Bedrohung
    weniger in deinem Leben. Du solltest erleichtert sein“, wun-
    derte Istvan sich über meine unpassende Reaktion und sah
    mich fassungslos an.
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    „Na, wenn du meinst. Es fühlt sich nur nicht so an“, sagte
    ich noch leise, bevor ich meinen müden Körper nach oben
    schleppte und schlafen legte. Seit dem Zeitpunkt, als er mei-
    ne ausgestreckte Hand verweigerte, hatte ich alles andere
    nur noch durch einen dicken Schleier wahrgenommen, der
    alle Empfindungen in mir dumpf und schal werden ließ.
    Teilnahmslos betrachtete ich von da an meine Umgebung.
    In dieser Nacht schlief ich unruhig, hatte jedoch keinen
    Albtraum. Anders als sonst schlich ich mich dieses Mal nicht
    nach draußen, um nach Istvan zu sehen. Ich betrachtete nicht
    seinen schlafenden Körper auf dem Sofa wie sonst und ich ver-
    suchte auch nicht, das Gefühl der Leere und der Einsamkeit
    zu verdrängen. Ich ließ es zu, denn ich merkte, dass es mich
    abstumpfte, und ich brauchte diese Gefühllosigkeit. Nur eine
    Nacht lang würde ich mich in diesen Zustand hüllen. Nur
    eine Nacht lang, nur um eine Nacht schlafen zu können.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war er bereits
    weg. Die Bibliothek musste geöffnet werden. Nachdem Vik-
    tor mich gestern daran erinnert hatte, dass es ein Leben gab,
    das es zu führen galt, erinnerte ich mich auch daran, dass
    ich schon länger nicht mehr den Anrufbeantworter abgehört
    hatte.
    Ich frühstückte und machte mich fertig für einen weite-
    ren trostlosen Tag, der vor mir lag. Dann ließ ich das Band
    des Anrufbeantworters ablaufen. Ich hatte nur ein paar An-
    rufe meiner Eltern versäumt, wie ich ja bereits wusste. Zwei
    Werbefirmen wollten mich mit ihren Angeboten locken und
    mein Bruder hatte mich einmal an die jährliche Inspektion
    des Autos erinnert. Doch dann hörte ich eine Nachricht,
    die mich hellhörig machte. Carlas Stimme verdrängte den
    dumpfen Schleier, in den ich noch immer eingehüllt war.
    „Joe, ich wollte dich nur an die Verlobungsparty am Frei-
    tag erinnern. Du weißt ja, dass du schon um fünf kommen
    sollst. Ich brauche dich für die Vorbereitungen und zur mo-
    ralischen Unterstützung. Wir sehen uns dann um fünf beim
    Italiener. Und Joe: Bitte denk an deine Rede, du hast es ver-
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    sprochen. Sieh es einfach als gutes Training für nächstes
    Jahr. Tschüss.“
    Ich hatte es völlig verdrängt. Die Verlobungsparty mei-
    ner besten Freundin war in drei Tagen und ich hatte weder
    die Rede fertig, noch war ich in der emotionalen Verfassung,
    eine solche Feier durchzustehen. Ich würde keine Rede
    schreiben. Jede Ansprache, die ich jetzt schreiben würde,
    wäre von verstörender Natur. Deshalb beschloss ich, meine
    Worte erst auf der Feier zu improvisieren. Die Umgebung
    und der Blick auf Carla und Christian würden es mir leich-
    ter machen. Aber sollte ich Istvan überhaupt von der Verlo-
    bungsfeier erzählen? Ich erinnerte mich noch genau an seine
    Reaktion auf Christians Antrag. Bei unserer gegenwärtigen
    Anspannung schien es mir alles andere als eine gute Idee zu
    sein, ihn mit dieser Nachricht zu belasten. Ich würde ihm
    am Freitag eine Nachricht hinterlassen. Schließlich muss-
    te ich jetzt, da Farkas keine unmittelbare Bedrohung mehr
    für mich darstellte, nicht mehr so vorsichtig sein. Ich konn-
    te wieder tun und lassen, was ich wollte, ohne von einem
    Body guard beschützt zu werden. Das hatte gute und ebenso
    schlechte Seiten. Denn Istvan lieferte ich damit die perfekte
    Ausrede, sich noch mehr von mir fernzuhalten.
    In der Nacht vor Freitag schlief ich bei ihm. Ich wurde in
    der Nacht unsanft aus meinem leichten Schlaf gerissen, als
    ich Istvans unruhiges Stöhnen hörte. Er wand sich im Schlaf
    und atmete schwer. Immer wieder murmelte er gequält und
    aufgebracht etwas vor sich hin. Ich konnte aber nicht verste-
    hen, was er sagte. Besorgt lag ich neben ihm und registrierte,
    wie sein Albtraum immer schlimmer zu werden schien. Ich
    konnte nicht länger an mich halten und begann ihn sanft zu
    schütteln. Beinahe hatte ich schon vergessen, wie warm und
    weich sich seine Schulter anfühlte. Ich begann kräftiger an
    ihm zu rütteln.
    „Istvan, wach auf!“, flüsterte ich mehrmals
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