Wolfsflüstern (German Edition)
Western!«
»Der verflucht beste Western aller Zeiten«, betonte Melda.
»Das hier …«, Gina streckte mit gespreizten Fingern die Handfläche nach vorn und schwenkte den Arm in einem Halbkreis, um auf das Panorama vor ihnen hinzuweisen, »… ist der verflucht beste Western aller Zeiten.«
Mehrere Minuten genossen alle den Ausblick: die violetten Berge, die noch immer weiße Hauben trugen, das im Licht der Dämmerung dunkelgrün schimmernde Gras, den in azurblaue, goldene, purpurrote und terrakottafarbene Bänder unterteilten Himmel. Allein für sie flatterte sogar der erste Vogel, den sie – dank der As – seit dem Morgen gesehen hatten, durch die Szenerie.
Matt warf einen Blick zu Gina und stellte fest, dass sie ihn betrachtete und nicht die malerische Landschaft. Als ihre Blicke sich trafen, durchlebte er einen weiteren Moment des Kameradschaftsgefühls, der ihm wieder einmal bewusst machte, wie sehr er seine Mutter vermisste. Keiner hatte ihn so verstanden wie Nora. Matt hatte schon zu glauben begonnen, dass kein anderer Mensch dazu in der Lage wäre.
»Nur weil Gesetzlose Tag und Nacht durchgeritten sind, müssen wir das noch lange nicht tun.« Dereks Tonfall klang ein wenig wie der eines müden Dreijährigen. Anhand der panischen Miene seines Vaters folgerte Matt, dass der Junge heulend den Kopf auf den Boden hämmern würde, wenn er nicht sehr bald etwas zu essen und eine Mütze Schlaf bekäme.
»Wir werden nicht mehr lange reiten«, beschwichtigte Gina ihn. »Nur, bis wir diesen Kamm erreichen.« Sie deutete auf eine Erhöhung im Gelände, von der Matt aus Erfahrung sagen konnte, dass sie näher zu sein schien, als das tatsächlich der Fall war. Sie würden ihr Lager erst bei Einbruch der Nacht aufschlagen. Nicht, dass Matt das nicht schon früher getan hätte.
Gleichzeitig gab es allen neue Energie, ein Ziel vor Augen zu haben. Als sie den Höhenrücken endlich erreichten und hinabblickten zum aufgehenden Mond, der sich in dem See unter ihnen spiegelte, stimmten die Leute mit ein, als Mel, der mehr lustige Lieder kannte als jeder Mensch, dem Matt je begegnet war, zu singen begann. Ein halbes Dutzend Stimmen schmetterte begeistert:
»On mules we find two legs behind
And two we find before;
We stand behind before we find
What the two behind be for.
When we’re behind the two behind
We find what these be for;
So stand before the two behind
And behind the two before.«
Der Song schien sehr passend. Selbst Derek stimmte mit ein. Was dem Jungen an Vermögen, den Ton zu halten, fehlte, machte er durch Lautstärke mehr als wett.
»Wo haben Sie all diese Lieder gelernt?«, fragte er Mel.
»Ich war Aufsichtsperson an einer Reformschule für Knaben.«
Übersetzung: Erziehungsanstalt.
Mit einem Mal machte Mels Vokabular erheblich mehr Sinn.
Als sie ihr Camp errichteten, zeigte sich, dass Mel es nicht nur verstand, die Leute aufzuheitern, sondern auch wusste, wie man ein Zelt aufschlug und ein Lagerfeuer entfachte. Gina steckte Derek einen Energieriegel zu, und der Junge guckte ihr hinterher wie ein treu ergebener Welpe. Wenn er nicht aufpasste, würde Jase ihn ebenfalls kaltmachen wollen.
Das Abendessen bestand aus schon vorbereiteten, mit Rindfleisch, Karotten und Kartoffeln gefüllten Folienpäckchen, die für eine halbe Stunde in die heißen Kohlen gelegt wurden, um durchzugaren. Wehmütig seufzend dachte Matt an Fannys duftende Küche.
Aber als er den ersten Bissen probierte, erlebte er eine angenehme Überraschung. Obwohl das Essen aussah wie erbrochenes Hundefutter, vermischt mit etwas, das Spike auf Matts Schuh gesabbert haben könnte, schmeckte es fantastisch.
»Ist das Basilikum?«, fragte er kauend.
»Ja, und Cayennepfeffer«, sagte Mel mit genauso vollen Backen.
Die As pickten nur das Gemüse heraus und ließen das Fleisch liegen.
»Tote Kuh?« Ashleigh warf ein Stück ins Feuer, wo es zischte, brutzelte und verbrannte. »Ohne Scheiß?«
»Ich werde dir ohne Scheiß die Finger brechen, wenn du das noch mal machst«, drohte Gina.
Ashleighs Augen weiteten sich. »Was?«
Gina hangelte nach dem dicken schweren Stock, den Mel benutzt hatte, um das Feuer zu schüren. Nun riss ihr doch noch der Geduldsfaden.
Matt staunte, dass es so lange gedauert hatte.
Er legte eine Hand auf ihre, und sie hielt inne. »Warum gebt ihr das, was ihr nicht mögt, nicht einfach Derek?«, schlug er vor.
Der Junge fixierte die Fleischberge auf den Schößen der beiden Mädchen. Alternativ die
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