Wolfsflüstern (German Edition)
der Schüssel, oder? So alt kannst du doch nicht sein.«
Matt machte sich nicht die Mühe zu antworten, als Amberleigh auch schon – wie es ihre Art war – in einen Monolog über die Senilität ihres Opis verfiel, der weder eine Erwiderung verdiente noch verlangte.
Sie waren durch wunderschöne Landschaften geritten – Ebenen, übersprenkelt mit frisch erblühten Blumen, Wälder voll neuer grüner Blätter –, während sie sich unaufhaltsam auf die fernen Berge zubewegt hatten.
Das San-Juan-Gebirge gehörte zu den Rocky Mountains, und früher hatten Erzsucher hier ihre Stollen in den Berg getrieben. Aber nachdem sämtliche Erzvorkommen längst erschöpft waren, bevölkerten es nun Touristen.
Die Berge waren steil, nicht gerade winzig und beheimateten zudem zwei Nationalwälder. Ungeachtet dieser Tatsache warteten sie mit Skigebieten, Geisterstadt-Hotels, Touren durch aufgegebene Stollen, Bergwanderungen und Jeeping auf – was immer das sein mochte. Wikipedia führte das nicht näher aus. Des Weiteren gab es dort eine alte Schmalspurbahn, die zwischen Durango und Silverton verkehrte und jede erdenkliche Art touristischer Touren anbot.
Aber aus Matts Blickwinkel wirkte das Gebirge verwaist. Egal, wohin er schaute, nichts ähnelte dem Ort, den er zu finden hoffte.
Sie gelangten zu einer ausgedehnten Ebene, wo sie alle nebeneinander herreiten konnten. Das war bedauerlich, denn das gab den As ein Publikum. Etwas, das sie in Matt vergeblich gesucht hatten.
»Ich kapier einfach nicht, warum wir den ganzen Tag auf den Pferden hocken müssen, als wären wir Billy the Boy oder so jemand«, beklagte sich Ashleigh.
»Wir sind nicht den ganzen Tag geritten«, widersprach Gina. »Wir haben mittags Rast gemacht.«
»Um belegte Brote und Chips zu essen.« Ashleigh rümpfte die Nase. »Im Freien.«
»Man nennt das ein Picknick. Es ist Teil des Ambientes.«
»Teil des was?«
Lady Belle machte einen Schritt zur Seite und rammte mit ihrem gewaltigen Hinterteil Ashleighs Pferd. Das Mädchen schwieg zur Freude aller, während es das Tier wieder in die Spur brachte. Dann klappte es erneut den Mund auf, zweifellos, um sich über etwas anderes zu beschweren, doch dankenswerterweise kam Derek ihm zuvor.
»Wer ist denn Billy the Boy?«
»Ach, du weißt schon, dieser Gesetzlose.« Ashleigh schnippte mit ihren manikürten Fingern zum allmählich dunkler werdenden Himmel. »Der Bruder von dem Kerl in Two and a Half Men hat ihn in dem Film gespielt.«
»Jon Cryer hat einen Bruder?« Derek schien genauso verwirrt zu sein wie Matt. Wer zur Hölle war Jon Cryer, und wo um alles in der Welt fand man zwei Männer und einen halben ?
»Quatsch! Der andere Typ. Er hat versucht, seine Frau zu erschießen. Besäuft sich ständig, genau wie in seiner Fernsehrolle.«
Derek guckte Hilfe suchend zu Matt, der ratlos die Achseln zuckte.
»Er hat nicht versucht, sie zu erschießen, du blonde Taubnuss.« In diesem Fall musste Matt sich Meldas Einschätzung anschließen, und Ashleighs mimische Reaktion auf ihren neuen Spitznamen war einfach unbezahlbar. »Soweit ich weiß, wollte er sie erstechen. Vielleicht auch erwürgen. Du sprichst von Charlie Sheen beziehungsweise seinem Bruder Emilio Estevez.«
»Wie können die Brüder sein, wenn sie noch nicht mal denselben Nachnamen haben?«, giftete Amberleigh.
»Scheiße passiert«, bemerkte Mel. »Und er hat nicht Billy the Boy gespielt. Es war Billy the Kid.«
»Ja klar!« Derek richtete sich in seinem Sattel auf, dabei verzog er vor Schmerz das Gesicht, und Matt fühlte sich gleich viel besser wegen seines eigenen wunden Hinterteils. » Young Guns . Jetzt komm ich mit.«
»Wenn du eine echt geile Verfolgungsjagd mit Pferden sehen willst«, sagte Mel, »solltest du dir Butch Cassidy and the Sundance Kid reinziehen. Die sind wirklich Tag und Nacht geritten, und das die ganze beschissene Zeit über.« Er guckte zu seiner Frau, und beide zitierten unisono: »Wer sind diese Kerle?«
Jetzt war Matt noch verwirrter. »Ich dachte, es waren Butch und Sundance.«
Mel und Melda starrten ihn schockiert an. »Du hast den verfickten Film nie gesehen?«, staunte Mel.
»Ich … nun ja.« Mist . Matt guckte selten Filme. Er lebte zu sehr in der Vergangenheit.
»Ich habe den verfickten Film auch nie gesehen«, meldete sich Gina zu Wort.
»Aber … aber …« Mels Nikolaus-Gesicht geriet aus der Form, als wäre soeben das letzte seiner Rentiere von einem Dach gestürzt und verendet. »Es ist ein
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