Wolfsflüstern (German Edition)
identisch mit ihrer – abzüglich der kuscheligen Socken. Seine waren einfach nur weiße Sportsocken, von denen eine ein kleines Loch an der Ferse aufwies. Seine nassen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, der einen feuchten Fleck zwischen seinen Schulterblättern hinterlassen hatte.
»Dies ist eine private Unterhaltung«, informierte Jase ihn.
Teo öffnete den Mund, zweifellos um ihn aufzufordern, eine anatomisch unmögliche Handlung durchzuführen; dann glitt sein Blick zu Jases Mutter, und er lächelte stattdessen, bevor er zu Gina ging – die bei seinem Erscheinen einen zweiten Teller und Becher gefüllt hatte – und ihr half, alles zum Tisch zu tragen.
»Ist Isaac inzwischen zurück?«, erkundigte sie sich.
»Nein.« Fanny schaute zum Fenster, ihre Augen so dunkel wie die Nacht hinter der Scheibe. »Wo mag er nur stecken? «
Niemand antwortete; zweifellos dachte jeder an das, was den anderen widerfahren war, deren Aufenthaltsort nun ein Mysterium war. Sie hofften inständig, dass Isaac nicht das gleiche Schicksal ereilt hatte.
»Die Gäste werden morgen abreisen«, sagte Gina. »Dann können wir uns damit auseinandersetzen.«
»Womit?«, wollte Fanny wissen.
Gina atmete tief durch, bereit, ihr alles zu erzählen, als eine Bewegung in der Tür sie alle aufblicken ließ. Derek stand im Durchgang zwischen Flur und Küche.
»Möchtest du noch einen Teller Suppe?«, schnurrte Fanny.
»Äh … nein.« Derek trat ein. »Danke«, fügte er als Nachsatz hinzu, dann wandte er sich an Gina. »Diese blonde Taubnuss, die noch übrig ist?«
Gina nickte angespannt. Von dem Moment an, als die blonden Taubnüsse aufgetaucht waren, hatte jede Erwähnung der beiden etwas Unerfreuliches nach sich gezogen.
»Sie steht oben im Gang am Fenster, nuckelt am Daumen und wimmert ununterbrochen ›nein, nein, nein‹.« Derek zuckte die Achseln. »Ich dachte mir, das kann nicht gut sein.« Er verzog sich genauso schnell, wie er gekommen war, dann lief er mit dröhnenden Schritten die Treppe hinauf.
»Verdammt«, murmelte Gina. »Ich dachte, sie würde die Nacht durchschlafen und wir könnten sie morgen zum Arzt fahren, aber …«
»Lass es uns jetzt gleich tun.« Jase schob seinen Stuhl vom Tisch weg. »Ich hole den Wagen, du holst die blonde Taubnuss.«
»Wie kommt es, dass die blonden Taubnüsse immer an mir hängen bleiben?«, grummelte Gina, machte sich aber trotzdem auf den Weg in die Diele. Teo folgte ihr. Die Erklärungen würden warten müssen.
Als sie die Treppe erreichten, öffnete Jase gerade die Haustür. Aber anstatt hindurchzutreten, stieß er einen Fluch aus und knallte sie wieder zu.
Gina, die gerade den Fuß auf die erste Stufe gesetzt hatte, drehte sich um. Jase starrte auf die geschlossene Tür, als wüsste er nicht, was er damit anfangen solle.
»Was ist los?«, fragte sie.
Er schaute über seine Schulter, dann marschierte er wortlos ins Wohnzimmer und zog die Vorhänge auf. Gina ging ihm hinterher.
Was sie hinter dem Fenster sah, veranlasste sie, zu blinzeln, sich die Augen zu reiben, erneut hinauszugucken und sie sich wieder zu reiben. Aber egal, was sie anstellte, das Bild blieb dasselbe.
Ein Halbkreis von Wölfen hatte sich im Hof versammelt und blockierte den Ausgang.
18
»Ihr seht alle, was ich sehe, oder?«
»Verdammt.«
»Ich nehme das als ein Ja.«
Gina sah zu Teo. Er betrachtete die Wölfe mit nachdenklicher Miene. Zum Glück galt dieser Blick nicht ihr, denn er ließ an einen Mechaniker denken, der nichts Schöneres kannte, als jeden Motor, den er sah, in seine Einzelteile zu zerlegen und sie auf einer Plane auszubreiten, bis er herausfand, wo der Fehler lag.
»Ich hatte euch verboten, jemals dort hinzugehen.«
Gina wirbelte herum. Isaac stand in der Bogenöffnung zwischen Wohn- und Esszimmer. Er hielt noch immer sein Gewehr in der Hand, was merkwürdig war. Welchen Nutzen sollte eine Schusswaffe hier im Haus haben? Andererseits …
Sie spähte wieder zu den Wölfen. Was würde es bringen, keine zu haben?
»Jetzt habt ihr es freigelassen«, fuhr Isaac fort.
Was exakt das war, wovor Gina sich gefürchtet hatte.
Der alte Mann durchquerte das Zimmer und starrte aus dem Fenster. »Sie könnten die Scheibe zertrümmern«, sinnierte er. »Aber ich denke, das werden sie nicht tun.«
»Was?«, stieß Gina hervor. »Warum denn?«
»Ich habe einem eine Silberkugel verpasst. Sie schätzen es überhaupt nicht, wenn einer ihrer Kumpels sich in einen Feuerball
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