Wolfsflüstern (German Edition)
»Mit Ausnahme des Jungen, der sich mit irgendeinem Handyspiel die Zeit vertreibt und mich kaum eines Blickes gewürdigt hat, als ich die Tür öffnete. Fanny bleibt oben, um sicherzustellen, dass niemand die Treppe runterkommt und etwas hört, das er nicht hören sollte. Wir können sie später auf den neuesten Stand bringen.«
»Fanny muss nicht auf den neuesten Stand gebracht werden.« Isaac setzte sich auf die Couch. »Mein Volk ist mit der Legende des Tangwaci Cin-au’-ao vertraut, seit wir ihn eingesperrt haben.«
Gina schaute zu Jase, der die Schultern zuckte. »Es ist nur eine Legende.« Er formte mit der Hand einen Mund, dann öffnete und schloss er die Finger, während er sagte: »Alles nur Blabla. Wir haben eine Million solcher Geschichten.«
Isaac bedachte seinen Enkel mit einem irritierten Blick. »Diese Legende wurde auf diesem Land geboren. Die Kreatur ist …« Er verzog den Mund. »War hier begraben.«
Matt pflanzte sich in den Lehnsessel neben Gina, ohne McCords unvermeidliches Zähnefletschen zu beachten. »Sie bezeichnen die begrabene Kreatur als Tangwaci Cin-au’-ao, aber denselben Ausdruck benutzen Sie für die da.« Matt deutete auf die Wölfe.
Isaac tat das mit einem Achselzucken ab. »Wie soll ich sie sonst nennen?«
»Werwölfe«, schlug Gina vor.
»Ein anderer Name macht sie nicht zu etwas anderem.«
»Sie sollten besser von Anfang an erzählen«, schlug Matt vor. Der alte Mann nickte und begann.
»Vor mehreren Jahrhunderten – mindestens vier, vielleicht auch fünf – kam eine Armee aus dem Süden. Es kursierten seit Jahren Gerüchte über diese Armee, die eine Schneise aus Blut, Tod und Zerstörung durch das Land pflügte. Wen sie nicht meuchelten, den verschleppten sie in das Land, wo Tauaci, die Sonne, herrscht, und man hörte nie wieder von ihm.«
Matt beugte sich vor. Das Volk, das im Reich der Sonne lebte, musste das der Azteken sein.
»Doch die Nucio, die Ute, waren zäh, und sie starben nicht so schnell, wie die anderen es getan hatten. Sie töteten mehr vom Volk der Sonne als je ein Stamm zuvor, und so sahen sich die Eindringlinge gezwungen, ihren Zauberer herbeizurufen.«
Bingo , schoss es Matt durch den Sinn; die beiden Geschichten begannen sich zu vermischen.
»Dieser Zauberer konnte sich in einen Wolf verwandeln, und er konnte auch andere zu Wölfen machen.«
Matt richtete sich so abrupt auf, als hätte man ihm mit einem Stock in den Hintern gepiekt. Er kannte eine andere Version der Geschichte. Der Zauberer der Azteken war ein Superkrieger gewesen – stärker, besser, schneller als alle anderen. Er hatte seine Gegner wie ein raubgieriger Wolf niedergemäht.
Natürlich war das eine Übersetzung, die Raum für Interpretation ließ. Was, wenn der Zauberer stattdessen ein raubgieriger Wolf gewesen wäre?
Matt konnte selbst nicht glauben, was er da dachte. Er, der seiner Mutter das Herz gebrochen, der zu ihrem Tod beigetragen hatte, indem er sich über ihren irrationalen Glauben an einen Zauberer lustig gemacht hatte, zog nun einen Werwolf-Zauberer in Betracht?
Aber nach allem, was in den letzten Stunden passiert war – das Heulen, der schwarze Rauch, die Leichen, die aufgestanden und davonspaziert waren, die Wölfe mit Augen von Menschen, die er gekannt hatte …
»Fahren Sie fort«, forderte er ihn auf.
»Er verstärkte die Armee der Sonne durch die Tangwaci Cin-au’-ao-Wesen, die durch nichts anderes als durch reines Silber unschädlich gemacht werden konnten.«
»Woher wussten die Ute das?«, entfuhr es Matt. »Attackierten sie die Kreaturen mit jeder Substanz, die sie hatten, bis eine davon die erhoffte Wirkung zeigte?«
»Möglich.« Isaac zuckte die Achseln. »Woher sie es wussten, ist nicht Teil der Geschichte.«
»Okay«, sagte Matt, obwohl für ihn das Woher und das Warum und das Wie die Geschichte waren.
»Ganz gleich, wie viele der Tangwaci Cin-au’-ao umkamen«, sprach Isaac weiter, »der Zauberer sorgte immer für weiteren Nachschub. Er schuf eine ganze Armee, und unserem Volk blieb nichts anderes übrig, als unseren eigenen Magier zu Hilfe zu rufen.«
»Wir hatten einen Zauberer?«, murmelte McCord. »Cool.«
»Einen Schamanen«, korrigierte Isaac.
»Wie auch immer.« Jase ignorierte den strengen Blick, den sein Großvater ihm zuwarf. »Was hat er gemacht?«
»Er verbannte den Tangwaci Cin-au’-ao unter die Erde«, sagte Isaac so beiläufig, als erklärte das alles.
»Wie?«, fragte Matt.
»Mithilfe eines Zaubers, der die
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