Wolfsflüstern (German Edition)
schwenkte.
Als es das endlich tat, ließ Gina quiekend den Feldstecher auf den Boden fallen.
Es waren Mels Augen.
Im dem Moment, als Gina unterdrückt aufschrie und ihr das Fernglas aus den Fingern rutschte, stürzten Matt und Jase gleichzeitig zu ihr.
Matt erreichte sie als Erster, was McCord einen Grund lieferte, zu knurren, besonders nachdem Gina Matts ausgestreckte Hand ergriff und seine eigene ignorierte.
»Das ist … das ist …« Ihre Augen waren weit aufgerissen, sodass mehr Weiß als sonst sichtbar war, was Matt veranlasste, stirnrunzelnd wieder die Wölfe zu taxieren.
Was war mit ihren Augen?
»Unmöglich«, vollendete sie und drückte seine Finger, bis diese knackend protestierten.
»Was ist unmöglich?«, fragte Matt und schaute zu McCord, der einen Flunsch zog wie ein Zweijähriger, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte.
Gina bückte sich, hob den Feldstecher auf und gab ihn Matt ohne ein Wort.
Er zog an seiner Hand, und sie gab sie frei. Matt schob sich die Brille auf den Kopf, dann hob er das Fernglas und nahm die Augen des nächststehenden Wolfs ins Visier.
»Irgendeine Art von Virus«, mutmaßte er, was Isaac ein verächtliches Schnauben entlockte. »Eins, durch das sich die Sklera ausdehnt, während gleichzeitig die Pigmentmenge abnimmt. Welche andere Erklärung könnte es geben?«
Also keine Lykanthropie. Darin stimmte er mit Gina überein.
»Was zum Henker ist eine Sklera?«, brummte McCord. »Drück dich verständlich aus, Dr. Tattergreis.«
»Das Weiße im Auge«, erklärte Gina, und Matt musste sich bezähmen, McCord nicht die Zunge rauszustrecken. Denn damit würde er riskieren, dass sie ihm aus dem Kopf gerissen wurde.
»Erkennen Sie einen von ihnen?«, erkundigte sich Isaac.
»Erkennen?«, echote Matt. »Einen der Wölfe?« Bis gestern hatte es hier überhaupt keine Wölfe gegeben.
»Sehen Sie noch mal hin«, drängte der alte Mann ihn.
Matt guckte Gina an, deren Sklera sich ebenfalls ausgedehnt zu haben schien. Einen Moment verspürte er Sorge, dass auch sie sich dieses Virus eingefangen haben könnte. Aber die Übertragung von Viruserkrankungen zwischen zwei Spezies war sehr selten. Wenn jedoch diese hier Werwölfe und damit halb menschlich waren, könnte das ein Prob…
Matt hörte, was sein Verstand da fabulierte, und ließ ein ersticktes Lachen hören. So viel zum Thema Massenhysterie.
»Hör auf, so blöd zu lachen«, knurrte McCord, »und sperr die Augen auf.«
»Du musst genau hinsehen«, drängte Gina ihn, also tat er es.
Einer war schwarz, mit grauen Augen, ein anderer sandfarben mit braunen; der dritte von links hatte ein schimmerndes glattes Fell, das einen schönen Goldton aufwies, blaue Augen, die in seine starrten, und …
Japsend ließ Matt das Fernglas fallen.
Es waren Ashleighs Augen.
Gina legte ihm die Hand auf den Arm. »Du hast ihn erkannt?«
»Ihn?« Er blinzelte mehrmals, dabei stierte er sie durch das Fenster an. Der Wolf mit den Ashleigh-Augen schien seinen Blick zu erwidern – und zu grinsen.
»Mel.« Gina streckte den Finger aus. »Dort drüben.«
»Mel ist auch dabei?«
»Auch?« Gina bückte sich ein weiteres Mal, um den Feldstecher aufzuheben, dann guckte sie hindurch und entdeckte …
»Ashleigh.« Als sie das Fernglas senkte, nahm McCord es ihr aus der Hand, presste es vor seine Augen, dann fluchte er.
»Und Juan.« Isaac deutete mit einem knorrigen Finger auf den zweiten schwarzen Wolf, dessen Augen dieselbe Farbe hatten, bis auf das Weiß, das sich gruselig hell gegen das dunkle Fell abzeichnete.
Matt schob die Brille zurück auf seine Nase. Er konnte nicht glauben, was er dachte, was sie alle dachten. Es musste eine andere Erklärung geben, aber es wollte ihm einfach keine einfallen. Er benötigte mehr Informationen. Und Isaac schien genau der richtige Mann zu sein, um sie ihm zu liefern.
»Was haben Sie dort begraben?«, fragte er.
Isaacs düsterer Blick glitt von den Wölfen zu Matt und wieder zurück. »Wir sollten uns lieber setzen.« Er wedelte mit seiner faltigen Hand zu der Couchgarnitur. »Dreht sie um, damit wir sie im Auge …« Er richtete Zeige- und Mittelfinger auf sein Gesicht, danach auf das Fenster.
Die jüngeren Männer verschoben das Sofa und die beiden Lehnsessel, während Gina Fanny holte und mit ihr nach oben ging. Vor lauter Aufregung hatten sie die »blonde Taubnuss«, die oben im Flur am Daumen lutschte, vollkommen vergessen.
»Alles schläft«, verkündete sie, als sie zurückkam.
Weitere Kostenlose Bücher