Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
.
„Nein.DasLichtistnurzugrell.EstutmirindenAugenweh.“
„Ich werde die Glühbirne für Sie wechseln.“
Er ließ mich los und trat einen Schritt zurück, damit ich in das Zimmer eintreten konnte.
„Hat nicht viel zu bieten.“ Er machte eine ausholende Armbewegung. „Bett, Fernseher, hier durch geht’s zum Bad.“
Nickend betrachtete ich das kleine Spülbecken, den Kühlschrank und die Kaffeekanne, aus denen die Küche bestand. Wie gut, dass ich nicht kochen konnte.
„Ich hol nur schnell eine von diesen Niedrigwattbirnen.“ Er ging in Richtung Tür. „Sie sind unten.“
„Danke. Und, Damien?“ Er blieb auf der Schwelle stehen. „Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen.“
Er lächelte, doch der Ausdruck erreichte seine Augen nicht. Als ich jetzt darüber nachdachte, fiel mir auf, dass er nur selten lächelte und wenn er es tat, immer eine gewisse Traurigkeit mitschwang, so als gäbe es bei ihm Erinnerungen, die er nie ganz abschütteln konnte. Genau wie bei mir.
„Kein Problem. Die Neuzugänge hier in der Stadt müssen doch zusammenhalten.“
Ich erstarrte. „Sie sind neu hier?“
„Ich bin vor etwa drei Wochen hergezogen.“
Als die ersten toten Wölfe aufgetaucht waren. Zufall? Mein Blick fiel auf den Ring an seiner rechten Hand. Wahrscheinlich.
„Ich dachte, das Lokal gehört Ihnen.“
„Ich arbeite nur hier.“
„Und der Besitzer?“
„Lebt in Tucson.“
„Glückspilz.“
Er legte den Kopf schief, und sein Haar schwang nach vorn. Es juckte mich in den Fingern, es ihm hinters Ohr zu klemmen. Warum musste ich nur immer und überall Ordnung schaffen? Bei diesem Mann, seinen Haaren, in der Welt.
„Sie mögen Crow Valley nicht?“
„Ich bin noch nicht lange genug hier, um das sagen zu können.“
„Es ist gar nicht so übel. Ich habe schon Schlimmeres gesehen.“
„Sie reisen viel?“
Er zuckte mit den Schultern. „Genug.“
Seine Augen hatten wieder einen dunklen, gejagten Ausdruck angenommen. Ich wollte fragen, was denn genug sei, aber seine Körperhaltun g – so als wartete er auf einen Schlag oder versuchte, eine Erinnerung zu verscheuche n – brachte mich davon ab.
„Ich hol jetzt diese Glühbirne“, verkündete er, dann rannte er praktisch aus dem Zimmer.
Seit ich den Beruf gewechselt hatte, schien ich diese Wirkung auf Männer zu haben. Früher war ich beliebt, hübsch, dieser typische nervig-kesse Cheerleader-Typ gewesen. Verdammt, ich war ein Cheerleader gewesen, und das sowohl an der Highschool als auch am College. Ich war mit dem Quarterback gegangen, hatte sogar Heiratspläne mit ihm geschmiedet. Bis man ihm dann die Kehle zerfetzt hatte.
Anschließend hatten sich eine Menge Dinge geändert. Ich hatte angefangen, meinen Lebensunterhalt mit dem Tod zu verdienen, und die Männer mieden mich seitdem wie die Pest. Ich fragte mich manchmal, ob das, was ich tat, an mir haftete wie ein übler Geruch oder ein permanenter Makel auf meiner cremig-weißen Haut.
Meistens kümmerte es mich nicht. Ich hatte ebenso wenig Verlangen nach Sex wie nach Freundschaft. Eine Beziehung? Ha. Ich hatte Wichtigeres zu tun.
Warum dachte ich dann also daran, wie appetitlich Damien Fitzgerald barfuß und mit nackter Brust im silbernen Licht des Mondes ausgesehen hatte?
Weil ich jetzt auch noch den letzten Rest meines Verstands verloren hatte.
Vielleicht war er kein Werwolf, aber das machte ihn nicht zu Freiwild. Jede Verbindung zu mir konnte ihm den Tod bringen. Einen bestialischen Tod. Es wäre nicht das erste Mal.
Trotz seiner strammen Muskeln und hervortretenden Bizepse war er in meiner Welt eine kleine Nummer. Sie würden Hackfleisch aus ihm machen, und das durfte ich nicht zulassen.
Als ich seine Schritte auf der Treppe hörte, ging ich raus und nahm ihm die Glühbirne aus der Hand. „Danke. Ich erledige das selbst.“
Die scharfe Zurückweisung in meiner Stimme bewirkte, dass ein verletzter Ausdruck über sein Gesicht flackerte, den er jedoch rasch verscheuchte. Er setzte erneut seine stoische Maske auf und verabschiedete sich mit einem Nicken wieder nach unten in die Bar.
Ich musste mich dazu zwingen, ihn nicht zurückzurufen, ihm nicht zu folgen und mich zu entschuldigen. Er war bloß freundlich zu mir gewesen, und ich hatte ihn verjagt. Auch wenn es nur zu seinem eigenen Besten war, fühlte ich mich trotzdem wie der letzte Dreck.
Um den Schein zu wahren, wechselte ich die Birne aus, dann warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr. Mitternacht . In der Bar unter mir
Weitere Kostenlose Bücher