Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
Felsbrockens, der durch eine Glasscheibe kracht. Ich krampfte die Hände um das Gewehr auf meinem Schoß. „Du sagst das, als ob du anders wärst als der Rest.“
Er zuckte die Schultern.
Mein Blick wanderte zu seinem Ringfinger. Vielleicht war er das tatsächlich.
„Wie viele musstest du töten, bevor du stark genug wurdest, um Silber tragen zu können?“
Damien runzelte die Stirn. „Silber? Ach so.“ Er hob die Hand. „Der hier? Ist aus Platin. Er stammt von meiner Mutter.“
Platin? Davon hatte ich natürlich schon gehört, jedoch nie in Erwägung gezogen, dass ein Metall einem anderen so sehr gleichen könnte. Ich hätte nie gedacht, dass es bei meinem Beruf ein Problem werden könnte, sich mit Schmuck nicht auszukennen. Falsch gedacht.
„Gib ihn mir“, forderte ich ihn auf.
Wir würden schon herausfinden, aus was er war. Im Jägersucher -Hauptquartier. Falls das Ding aus Silber bestan d … Ich wollte mir nicht vorstellen, was das bedeuten würde.
Er zog den Ring ab, durchmaß die kurze Distanz zwischen uns und legte ihn auf meine Handfläche. Ich hielt das Gewehr im Anschlag. Ich traute ihm noch immer nicht.
Er starrte auf den Lauf, dann hob er den Blick zu meinem Gesicht. „Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, dass ich dich liebe.“
„Spar dir deine Worte.“
Daran konnte ich jetzt nicht denken. Es gab zu viele andere Probleme, die gelöst werden mussten.
„Ich verstehe trotzdem nicht, was du mit dem stärker werden gemeint hast“, sagte er.
„Ich stelle hier die Fragen.“
Ich gab ihm mit dem Gewehr ein Zeichen, ein Stück zurückzutreten. Er war zu nah. Ich konnte seine Haut riechen, die Hitze seines Körpers spüren. Es weckte in mir das Bedürfnis, ihn zu berühren, während ich mich wieder fragte, ob er mich irgendwie verhext hatte.
Er ging zurück zur Tür und setzte sich mit dem Rücken gegen das Holz gelehnt auf den Boden.
„Warum tötest du sie?“, fragte ich.
„Warum tust du es?“
Hatte ich ihn nicht gerade darauf hingewiesen, dass ich hier die Fragen stellte? Er reagierte nicht sehr gut auf Anweisungen. Ich beschloss, trotzdem zu antworten.
„Ich töte sie, weil sie böse sind. Besessen. Mörderische, dämonische, seelenlose Kreaturen.“
„Dito.“
Ich blinzelte. „Was zur Hölle soll das bedeuten?“
„Ich stimme dir zu. Deshalb töte auch ich sie.“
„Abe r … du bist genauso.“
„Ich war es. Jetzt bin ich anders. Du hattest recht.“
Ich hielt das Gewehr weiterhin auf seine Brust gerichtet, aber er bewegte sich von seiner Position vor der Tür nicht weg.
„Fang an zu erzählen“, murmelte ich.
„Ich war im Krie g – “
„Welcher Krieg?“
„ Der Krieg. Der Zweite Weltkrieg. Welcher Krieg wäre denn da sonst noch?“
Damien war im Zweiten Weltkrieg gewesen? Ich musterte ihn von oben bis unten. Man hatte mir gesagt, dass Werwölfe ewig lebten und dabei exakt das Alter behielten, das sie hatten, als sie gebissen wurden. Natürlich hatte ich noch nicht oft die Gelegenheit gehabt, mit einem von ihnen zu plauschen und herauszufinden, ob das stimmte.
„Es hat seitdem eine ganze Reihe von Kriegen gegeben“, bemerkte ich.
„Keinen wie diesen.“
Er hatte recht. Seit jenem letzten Krieg, der geführt worden war, um alle Kriege zu beenden, hatten sich die Gefechtsstrategien geändert. Keine groß angelegten Invasionen an Stränden mehr. Wir hatten jetzt Kampfjets, Flugzeugträger, durch Laser gelenkte Bomben. Das Gesicht moderner Kriegsführung. Amerikaner traten dem Feind nicht mehr Auge in Auge gegenüber. Mit Ausnahme von mir.
Ich winkte mit dem Gewehr. „Erzähl weiter.“
„Ich war am D-Day mit dabei. Schon mal einen Film darüber gesehen?“
„ Der Soldat James Ryan .“
Er zog eine Grimasse. „Nach dem, was ich gehört habe, ist der Film zwar nah dran, aber die Realität war trotzdem viel, viel schlimmer.“
„Du hast ihn nicht gesehen?“
„Ich konnte nicht.“
Damien war ein Werwolf, der unvorstellbare Dinge getan hatte, trotzdem ertrug er es nicht, sich einen Film anzuschauen, in dem eine Schlacht nachgestellt wurde. Ich fragte mich, ob die Traurigkeit in seinen Augen mehr reflektierte als das Schuldbewusstsein eines Werwolfs.
„Ich schaffte es am Omaha Beach vorbei, dann marschierte ich durch die französische Provinz. Es war ein Wettlauf nach Berlin. Die Amerikaner auf der einen Seite, die Russen auf der anderen.“
„Ich kenne die Einzelheiten.“
„Na jedenfalls waren überall Deutsche.
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