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Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang

Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang

Titel: Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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ab.
    „Daran hast du noch gar nicht gedacht, stimmt’s?“
    „Siehatgesagt,erkönnteverschiedeneTiergestalten,verschiedeneFellfarbenannehmenodersichtagsüberverwandeln.Siehatnicht gesagt, dass er zwei verschiedene Menschen sein könnte.“
    „Sie hat auch nicht gesagt, dass nicht.“
    Wovon Jessie da redete, war unmöglich, oder?
    Nicht wirklich.
    „Ich habe in Hectors Augen geblickt. Da war keine Seele in ihnen. Damals habe ich nicht erkannt, was das zu bedeuten hatte. Heute würde ich das schon.“
    „Hector war kein Werwolf bis zu der Nacht, als deine Familie starb. Bis dahin war er nur ein Mensch.“
    „Er war ein Serienmörder. Ein Kannibale. Wie kann sich etwas so Böses nicht in den Augen abzeichnen?“
    „Hast du schon mal ein Foto von Bundy gesehen? Von Dahmer? Was für sympathisch wirkende junge Männer.“
    Ein Punkt für sie.
    Aber an Hector hatte ich das Antlitz des Bösen gesehen. Ich wusste, dass ich das hatte. Diese Wahrheit existierte nicht nur in meinen Albträumen. In Damiens Augen hatte ich Liebe gesehe n – zusammen mit Traurigkeit, Bedauern, einem Hauch von Schuldbewusstsein.
    Verdammt.
    Wir erreichten Jessies Wohnung. „Sei vorsichtig“, warnte sie mich.
    „Das bin ich immer.“
    Sie hob die Brauen, gab zum Glück aber keinen weiteren Kommentar ab. Ich wartete, bis sich die Haustür sicher hinter ihr geschlossen hatte, dann fuhr ich zurück zu meinem Apartment.
    Ich wollte, dass heute die Nacht des Jagdmonds wäre. Ich wollte, dass das hier vorbei war. Ich wollte mit meinem Leben weitermachen. Oder zumindest wissen, dass ich es nicht konnte.
    Ich schaltete den Wagen aus, als etwas mit einem dumpfen Aufprall auf der Motorhaube landete. Ich sah hoch und fand mich Auge in Auge mit einem Wolf wieder.
    Ein Rumsen auf dem Dach, dann eins auf dem Heck sagten mir, dass er nicht allein war. Weitere Wölfe kamen mit gesträubten Nackenhaaren steifbeinig aus dem Wald und auf mein Auto zugetrottet.
    Ich fasste nach dem Gewehr auf der Rückbank. Der Wolf auf der Motorhaub e – eine riesige, graue Besti e – fletschte die Zähne.
    „Dumm gelaufen“, murmelte ich.
    Er zerschmetterte mit der Schnauze die Windschutzscheibe. Scherben stoben in den Innenraum. Die anderen griffen im selben Moment an, und überall um mich herum zerbarst Glas. Ich zuckte zusammen und duckte reflexartig den Kopf weg, als ich mich wieder an das Gewehr erinnerte.
    Ich schoss dem grauen Wolf in die Brust. Flammen loderten auf und blendeten mich. Von links nahm ich eine Bewegung wahr. Durch das Beifahrerfenster kroch gerade ein anderer Wolf. Ein schneller Blick in den Rückspiegel verriet mir, dass von hinten noch einer kam.
    Ich hatte meine Glock im Kofferraum gelassen. Bei der Jagd im Wald ist eine Pistole überflüssig, aber jetzt verfluchte ich das lange, schwerfällige Gewehr in meinen Händen. Aber es war alles, was ich hatt e – abgesehen von dem Messer in meinem Stiefel.
    Heißer Atem strich über meinen Hals. Ich drehte mich um und sah einen Wolf, der mich durch ein für ihn zu kleines Loch im Fahrerfenster anknurrte. Er nahm Anlauf, um sich noch mal gegen das Glas zu werfen, und ich schoss auf ihn. Leider explodierte dabei die Scheibe. Als wäre die Sache nicht so schon schlimm genug.
    Wieder ein Aufprall auf der Motorhaube. Der braune Wolf. War es Hector? Oder jemand anders?
    Schwer zu beurteilen; er starrte auf etwas über meinem Kopf. Wie viele Wölfe waren auf dem Dach? Das Tier hob die Schnauze und heulte. Die anderen erstarrten.
    Was sagte er ihnen? Dass ich ihm gehörte? Er glaubte das vielleicht, aber ich hatte längst geschworen: nie wieder. Ich checkte meine Munition. Genug für ein paar mehr von ihnen und eine für mich.
    DerbrauneWolfsprangaufsDach.DieanderennahmenReißaus.DerParkplatzwarwiederleer,mitAusnahmederAutos.AusderBardrangimmernochlauterJazz.NiemandwürdedenRufdesWolfsgehörthaben.Undfallsdoch,hätteesniemandeninteressiert.WölfeheultenimWaldanjedemverdammtenTag.
    Plötzlich sprang der braune Wolf vom Dach. Er kam rennend auf dem Boden auf und verschwand zwischen den Bäumen, in derselben Richtung wie die anderen. Ich war allei n – mit einem zertrümmerten Wagen und einem geladenen Gewehr.
    Was hätte ich sonst tun sollen? Ich schob die Tür auf und folgte ihm in den Wald.
    Vermutlich nicht eine meiner weisesten Entscheidungen, aber wie schon gesagt, wollte ich, dass es vorbei war.
    Ein Anflug von Dämmerung zeigte sich am Himmel. Die Wölfe waren ohne Zweifel unterwegs zu ihrem Lager.

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