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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Platz. Ich bin gleich zurück.«
    Während Stefan gehorchte, verschwand Danuta in einem anderen Zimmer - vermutlich der Küche -, wo sie mit leiser, aber sehr erregter Stimme mit ihrem
    Freund sprach, der ihr gefolgt war. Sie hatte ihm den Kaffee nicht aus Freundlichkeit angeboten; sie brauchte diese Zeit, um mit dem Mann im Unterhemd zu reden. Mit ihm zu streiten, den Stimmen nach zu urteilen. Stefan fragte sich, woher er eigentlich das Recht nahm, so in das Leben dieser wildfremden Frau hineinzuplatzen und wer-weiß-was anzurichten.
    Aber er mußte Gewißheit haben. Auf die Antworten zu verzichten, die Danuta ihm geben konnte, hieße auch auf die Antwort auf die einzige Frage zu verzichten, die wirklich von Bedeutung war: die, ob er tatsächlich verfolgt wurde oder einfach dabei war, den Verstand zu verlieren.
    Während er darauf wartete, daß Danuta und ihr Was-auch-immer zurückkamen, sah er sich aufmerksam im Wohnzimmer der Krankenschwester um. Was er erblickte, das entsprach sowohl hundertprozentig seinen Erwartungen, als es sie auch so sehr widerlegte, wie es nur ging; und das war nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Danutas Einrichtung bestand aus preiswerten, allesamt nicht sehr alten Möbeln, deren Auswahl und vor allem Arrangement jedoch große Sorgfalt verriet. Es war nicht die Wohnung eines Menschen, der sich auf Dauer eingerichtet hatte; Stefan vermutete, daß sie nur ein paar Jahre in Deutschland bleiben wollte, vielleicht, bis sich die chaotischen Verhältnisse in ihrer Heimat wieder einigermaßen beruhigt hatten; vielleicht, bis sie genug Geld zusammengespart hatte, um dort einen neuen Anfang zu machen. Wahrscheinlich von allem etwas, zusammen mit einer Anzahl weiterer Gründe, die er nicht kannte.
    Auf den zweiten Blick aber gewahrte er auch eine Anzahl Dinge, die genau das Gegenteil auszudrücken schienen: einige wenige ausgesuchte Möbel- und Einrichtungsstücke, die er sich einfach nicht in einem kroatischen Bauernhaus vorstellen konnte, einen modernen PC, der auf Dauer dort wahrscheinlich gar nicht funktionierte, den Prospekt eines Immobilienmaklers.
    Er schüttelte auch diesen Gedanken ab. Danutas Zukunftspläne hatten nun wirklich keine Bedeutung für ihn. Und in diesem Moment kamen sie und ihr Freund auch schon zurück, Danuta mit einer Glaskanne voll dampfenden Kaffees in der Hand, er mit einem Tablett mit den dazugehörigen Utensilien.
    »Entschuldigen Sie, daß Sie warten mußten«, sagte Danuta. »Zucker? Milch?«
    »Alles, was umsonst ist«, antwortete Stefan automatisch; ein dummer Spruch, der schon beim erstenmal nicht witzig gewesen war und es auch nach der dreitausendsten Wiederholung nicht wurde. Danuta lächelte auch nur flüchtig, schenkte ihm ein und nahm auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz. Ihr Begleiter stellte eine Frage, die sie in ihrer Muttersprache beantwortete und sich dann noch im gleichen Atemzug an Stefan wandte: »Bitte nehmen Sie es Andreas nicht übel. Mein Bruder versteht Ihre Sprache, aber er spricht sie nicht sehr gut.«
    »Das macht nichts«, antwortete Stefan. »Ich muß mich noch einmal für diesen Überfall entschuldigen. Ich möchte Ihnen wirklich keine Ungelegenheiten bereiten, aber... ich brauche ein paar Antworten.«
    Er sah Danuta bei diesen Worten aufmerksam an, doch zu seiner Enttäuschung reagierte sie nicht darauf. Andreas' Blick wurde noch mißtrauischer, aber auch er sagte nichts. Er überlegte einen Moment, welche Frage die geschickteste wäre, warf dann alle strategischen Überlegungen über Bord und fragte geradeheraus:
    »Was wissen Sie über dieses Tal?«
    »Das Wolfsherz?« Die Gelassenheit, mit der Danuta auf seine Frage reagierte, bewies, daß sie sie erwartet hatte. Sie schüttelte den Kopf. »Nichts.«
    »Das klang gestern abend aber ganz anders.«
    »Ich weiß nicht mehr als das, was ich Ihnen gestern bereits erzählt habe«, beharrte Danuta. »Ein paar romantische Legenden, mehr nicht.«
    Romantisch
war Stefan das, was seit gestern morgen passiert war, nicht gerade vorgekommen, und ihr verzweifelter Kampf ums nackte Überleben im Wolfsherz selbst schon gar nicht. Aber er schluckte die scharfe Antwort, die ihm auf der Zunge lag, herunter. Danuta hatte draußen in der Küche mehr getan, als ihren Bruder zu beruhigen. Sie hatte sich auf die Fragen, die er vermutlich stellen würde, vorbereitet. Statt sich also auf ein Katz-und-Maus-Spiel einzulassen, das er nicht gewinnen konnte, ließ er eine Sekunde verstreichen und

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