Wolfsherz
draußen. Er
verstand
sich nicht. In den zehn Jahren, die Rebecca und er jetzt verheiratet waren, hatte er niemals auch nur einen einzigen Blick an eine andere Frau verschwendet; nicht einmal aus Überzeugung oder irgendeinem altmodischen Grund wie Treue oder Religion, sondern weil Becci und er einfach glücklich miteinander waren, und weil er mit ihr alles hatte, was er brauchte.
»Sie?« fragte Danuta überrascht. »Was...« Sie sprach nicht weiter, sondern wich einen halben Schritt vom Eingang zurück, ohne die Hand dabei von der Türklinke zu nehmen, und sah ihn weiter mit einer Mischung aus Überraschung und Mißtrauen an. Vielleicht erinnerte sie sich an den vergangenen Abend. Stefan wurde sich der Tatsache bewußt, daß er sie anstarrte, und zwang ein verlegenes Lächeln aufsein Gesicht. Sehr viel Überwindung kostete ihn das nicht. Eine Sekunde lang fragte er sich, was, zum Teufel, er hier tat. Wenn Dorn ihm überhaupt einen Rat gegeben hatte, den er besser beherzigen sollte, dann den, nicht auf eigene Faust Detektiv zu spielen.
»Guten Tag«, sagte er unbeholfen. »Ich... ich hoffe, ich störe nicht.«
Danuta antwortete nicht sofort, sah ihn aber auf eine Weise an, die klarmachte, daß ihr sein Besuch alles andere als angenehm war. Und sie machte auch keine Anstalten, den Weg freizugeben oder irgendeine Art von Einladung auszusprechen, sondern kam im Gegenteil wieder einen halben Schritt auf ihn zu, wobei sie die Tür mit sich zog und auf diese Weise etwas mehr schloß. Trotzdem schüttelte sie schließlich den Kopf und fragte: »Nein, aber... woher haben Sie meine Adresse?«
Stefan dachte eine halbe Sekunde lang daran, ihr zu sagen, wie geradezu lächerlich einfach es gewesen war, ihre Telefonnummer und Anschrift herauszufinden, tat es aber dann nicht. Er war schließlich nicht hier, um ihr einen Vortrag über die Datenvernetzung in Frankfurt zu halten.
»Ich muß Sie sprechen. Es ist wichtig. Darf ich einen Moment hereinkommen?«
Nein,
das dürfen Sie nicht,
antwortete ihr Blick.
Ganz und gar nicht.
Laut antwortete sie: »Ich weiß nicht. Ich... habe nicht viel Zeit. Meine Schicht fängt in einer Stunde an, und ich -«
»Ich weiß«, unterbrach sie Stefan. »Es dauert auch bestimmt nicht lange. Aber es ist wirklich wichtig.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Ich fahre sowieso nachher in die Klinik. Ich kann Sie mitnehmen, wenn Sie möchten.
Auf diese Weise sparen Sie eine halbe Stunde.«
Danuta überging dieses Angebot. »Was wollen Sie?« fragte sie noch einmal.
Ihre Stimme klang nicht schärfer, hatte aber trotzdem mehr Nachdruck.
»Nur mit Ihnen reden«, versicherte Stefan. »Es geht um gestern abend. Ich -« »Da gibt es nichts zu reden«, fiel ihm Danuta ins Wort. »Ich weiß nicht, was
Sie von mir wollen.«
Bevor Stefan antworten konnte, näherten sich erneut Schritte. Die Tür wurde ganz geöffnet, und ein hochgewachsener, aber zu dünner Mann mit schulterlangem schwarzem Haar und Dreitagebart starrte ihn über Danutas Schulter hinweg feindselig an. Bekleidet war er nur mit einer roten Jogging-Hose und einem Unterhemd. Ohne Stefan aus den Augen zu lassen, aber eindeutig an Danuta gewandt, stellte er eine Frage in seiner Muttersprache; soweit Stefan dies beurteilen konnte, war es nicht Kroatisch, sondern ein vollkommen anders, allerdings auch slawisch klingender Dialekt.
Danuta antwortete auf deutsch. »Jemand aus dem Krankenhaus. Der Mann einer Patientin.« Sie machte einen Schritt zurück und vollführte gleichzeitig eine einladende Geste mit der linken Hand. »Also gut. Kommen Sie herein. Aber wirklich nur ein paar Minuten. Ich muß mich für den Dienst fertig machen.«
Ihr Begleiter war von dieser Entscheidung nicht besonders begeistert, aber er machte gehorsam Platz, als Danuta zurücktrat, um Stefan vorbeizulassen. Während er die Wohnung betrat, machte er sich klar, daß er das vermutlich nur seinem Auftauchen zu verdanken hatte. Danuta war entschlossen gewesen, ihn nicht hereinzulassen, wollte aber vermutlich keine lautstarke Auseinandersetzung im Hausflur riskieren.
»Möchten Sie einen Kaffee?« fragte Danuta, nachdem sie die Tür hinter ihm geschlossen und an ihm vorbeigetreten war. »Es macht keine Umstände. Er ist schon fertig.«
Stefan sah ihren Lebensgefährten an, ehe er antwortete; fast, als bedürfe es seiner Erlaubnis. »Gern.«
Danuta führte ihn in ein kleines, ebenso einfach wie behaglich eingerichtetes Wohnzimmer und deutete auf die Couch. »Nehmen Sie
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