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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Kopf. »Das ist nicht nötig. Andreas kann mich fahren. Ich nehme an, daß wir uns heute abend sowieso noch einmal sehen.«
    »Wahrscheinlich«, antwortete Stefan. Es sei denn, daß ein weiteres Wunder geschah, und Becci heute ausnahmsweise einmal auf ihre abendlichen Eskapaden verzichtete. Aber das war nicht sehr wahrscheinlich.
    Er wandte sich zum Gehen, hielt dann aber kurz vor der Tür noch einmal inne und sagte, einer plötzlichen Eingebung folgend: »Vielleicht ist es besser, wenn Sie sich ein paar Tage frei nehmen. Ich meine, nur falls... falls ich doch nicht ganz verrückt bin und es diesen Kerl wirklich gibt. Dann könnten Sie auch in Gefahr sein.«
    »Ich?« Danuta lachte. »Aber warum sollte er mir etwas tun?«

Teil 3
    Obwohl es Zeit für seinen täglichen Besuch bei Rebecca gewesen wäre, fuhr Stefan nicht in die Klinik, sondern auf direktem Weg nach Hause. Er war innerlich so aufgewühlt wie schon seit langem nicht mehr; auf eine andere, schwer faßbare Weise sogar erregter als nach seinem Erlebnis vorhin im Parkhaus. Es war besser, wenn er erst einmal mit sich selbst ins Reine kam, ehe er mit Rebecca darüber sprach.
    Davon abgesehen hatte er eine Anzahl rein praktischer Probleme zu bewältigen.
    Sein Briefkasten quoll über. Er hatte ihn seit vier oder fünf Tagen nicht mehr geleert und war überrascht über die Anzahl von Briefen und Postwurfsendungen, die ihm entgegenstürzte, als er die Klappe öffnete. Einen Teil davon konnte er bereits aussortieren, während er sich auf dem Weg nach oben befand:
    Reklame; die schon fast obligate Benachrichtigung, daß er ein Einfamilienhaus samt Garage und der dazugehörigen Luxuslimousine gewonnen hatte - vorausgesetzt, er füllte den anhängenden Gewinncoupon aus, der sich bei genauerem Hinsehen als Bestellformular entpuppte -; Rechnungen; zwei oder drei Mahnungen, von denen er hoffte, daß sie sich durch Roberts Hilfe mittlerweile erledigt hatten; und eine Anzahl Briefe mit unbekannten Absendern. Zumindest die würde er später am Tag lesen.
    Er hatte von Aufzügen für heute genug, also nahm er die Treppe und war entsprechend außer Atem, als er vor seiner Wohnungstür anlangte. Mit leicht zitternden Händen schob er den Schlüssel ins Schloß, hörte, wie hinter ihm eine Tür geöffnet wurde und drehte sich um. Es war eine seiner Nachbarinnen - sie wohnten seit fünf Jahren auf demselben Flur, aber er kannte nicht einmal ihren Namen, und er wollte ihn auch gar nicht kennen. Ihrem Das-wurde-ja-auch-ZeitGesichtsausdruck nach zu schließen, hatte sie wohl schon eine geraume Zeit am Fenster gestanden und auf ihn gewartet.
    »Da ist ein Päckchen für Sie abgegeben worden, Herr Mewes«, begann sie grußlos. Gleichzeitig streckte sie die Hand aus und hielt ihm ein kaum zigarettenschachtelgroßes, in braunes Packpapier eingeschlagenes Päckchen mit einem braungoldenen UPS-Aufkleber hin. Stefan nahm es entgegen und fragte: »Mußten Sie etwas bezahlen?«
    »Nein. Nur unterschreiben.« Sie hielt das Päckchen einen Moment länger fest, als notwendig gewesen wäre, so daß er es ihr beinahe gewaltsam entreißen mußte. Ihr Blick wurde vorwurfsvoll.
    »Sagen Sie, Herr Mewes - gestern nachmittag, das war doch die Polizei, die Sie besucht hat, oder?«
    Und was geht dich das an?
dachte Stefan ärgerlich. Aber er schluckte alles herunter, was ihm auf der Zunge lag und brachte das Kunststück fertig, gebührend zerknirscht auszusehen. »Ja. Eine ausgesprochen lästige Geschichte.«
    »So?«
    »Berufsrisiko«, sagte Stefan achselzuckend. »So etwas bringt einen dazu, ernsthaft über einen anderen Job nachzudenken, wissen Sie? Manchmal bekommt man es mit Typen zu tun, denen man lieber nicht begegnet wäre.« Er hatte nicht vor, mehr zu sagen. Dieser kleine Brocken reichte gerade aus, um ihre Neugier zu wecken und sie dann unbefriedigt zurückzulassen; seine kleine Rache an Leuten wie ihr.
    »Sie sprechen nicht von den Leuten, die vorhin hier waren?« Heute funktionierte die Rache nicht.
    Stefan blinzelte. »Vorhin?«
    »Eine junge Frau und ein junger Mann. Sie sahen komisch aus.«
    Seine kindische kleine Rache funktionierte nicht nur nicht, sie wurde zum Bumerang. Noch bevor seine Nachbarin weiterreden oder er eine entsprechende Frage stellen konnte, explodierte seine Phantasie regelrecht. Was er vor einer Weile über die Relativität der Zeit gedacht hatte, erwies sich als nur zu wahr: In dem kleinen Teil einer Sekunde, die verstrich, blitzten Dutzende von quälenden

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