Wolfsherz
zurück. Und du fährst in die Klinik und paßt auf deine Frau und deine Tochter auf.«
Es war nicht seine Tochter, verdammt noch mal. Und wieso erteilte ihm dieser Kerl eigentlich schon wieder Befehle?
»Was ist mit deinem Termin?«
»Den kann ich verschieben«, antwortete Robert. »Es ist nur ein Geschäft. Wenn es platzt, schließe ich das nächste ab. Fahr jetzt zu Rebecca. Ich versuche, jemanden aufzutreiben, der zu euch kommt und auf euch aufpaßt. Ach ja, laß den BMW bitte morgen vor deinem Haus stehen. Ich schicke jemanden, der ihn abholt.«
»Selbstverständlich«, antwortete Stefan eisig. »Sonst noch etwas?« Er spürte, wie eine kalte, verzehrende Wut in ihm wuchs. Er kannte Robert ja nun wirklich zur Genüge, aber trotzdem: Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein, was er war? Sein Vormund?
»Nein«, antwortete Robert. Dann wurde seine Stimme versöhnlicher. »Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht beleidigen. Aber du scheinst -«
»Nicht in der Lage zu sein, auf meine Frau aufzupassen?« fiel ihm Stefan ins Wort.
»Dir nicht darüber im klaren zu sein, mit welchen Leuten ihr euch da möglicherweise eingelassen habt«, antwortete Robert ungerührt. »Wahrscheinlich hast du recht, und alles ist nur eine Verkettung unglückseliger Zufälle. Aber wenn auch nur die Spur einer Chance besteht, daß es nicht so ist, dann hast du jeden Grund, auf der Hut zu sein. Wieviel weiß dieser Polizist?«
Der plötzliche Themenwechsel brachte Stefan für einen Moment aus dem Konzept, und genau das sollte er wohl auch. Sein Zorn hatte plötzlich kein Ziel mehr und verrauchte so schnell, wie er gekommen war. »Nichts«, antwortete er automatisch. »Jedenfalls nicht von mir. Ich weiß nicht, wieviel ihm Rebecca erzählt hat.«
»Bestimmt nicht mehr als du«, behauptete Robert. »Also gut. Wir besprechen das alles, wenn ich zurück bin. Paß auf dich auf.«
Er hängte ein. Stefan starrte den Telefonhörer in seiner rechten Hand noch einen Herzschlag lang an und wartete darauf, daß sein Zorn zurückkam. Aber das geschah nicht. Es hätte passieren müssen, denn er war sich durchaus darüber im klaren, daß Robert ihn wieder einmal mühelos manipuliert hatte: Er hatte seine Wut gespürt, und es hatte eines einzigen, nicht einmal besonders originellen Schachzuges bedurft, um damit fertigzuwerden.
Trotzdem gelang es ihm nicht, neuerlichen Zorn zu empfinden. Vielleicht, weil er tief in sich spürte, daß Robert nur zu recht hatte; vielleicht sogar mehr, als dieser selbst ahnen mochte, denn Stefan hatte ihm weder von der Geschichte am Morgen noch von seinen beiden sonderbaren Besuchern erzählt. Aber Robert hatte recht: Wenn auch nur die geringste Chance bestand, daß der Blonde kein ausgeflippter Punk war, der sich seine Opfer nach dem Zufallsprinzip aussuchte, sondern vielleicht jemand, der ihm und Becci aus einem anderen, finsteren Teil der Welt gefolgt war, dann raten sie verdamme gut daran, auf der Hut zu sein.
Plötzlich war er doch wieder beunruhigt. Er behielt den Hörer in der Hand, drückte mit der anderen mehrmals hintereinander rasch auf die Gabel und wählte dann wieder die Nummer des Krankenhauses; er kannte sie mittlerweile auswendig. Rebecca war jedoch noch immer nicht in ihrem Zimmer, so daß er sich zur Kinderintensivstation weiterverbinden ließ, wo er sie endlich erreichte.
»Hallo«, meldete sie sich; überrascht, aber auch nicht besonders freundlich. »Wo bleibst du? Ich habe vor einer Stunde mit dir gerechnet.«
»Ich hatte zu tun«, antwortete Stefan. »Aber ich -«
»Ich weiß«, unterbrach ihn Rebecca. »Du mußtest fremde Frauen in ihrer
Wohnung heimsuchen.«
»Wie?« machte er verblüfft. Dann verstand er. »Du hast mit Schwester Danuta gesprochen.«
Becci lachte. »Ja... du glaubst diesen ganzen Unsinn doch nicht etwa?« »Ich bin nicht sicher«, erwiderte Stefan ehrlich.
»Nicht sicher? Werwölfe, Teufelsanbeter, finstere Mächte und all das?«
»Nein, nicht das«, beeilte sich Stefan zu versichern. Vielleicht
an ein Ding, das in der
Dunkelheit wohnt
und darauf
wartet,
daß man ihm die Tür öffnet, aber doch nicht an Vampire und Teufelsanbeter und all diesen Quatsch. Ganz
bestimmt nicht. »Aber es könnte sein, daß dein Bruder recht hat.«
»Mein Bruder?« Sie wußte nichts von seinem letzten Gespräch mit Robert, so daß er etwas deutlicher werden mußte, als ihm am Telefon eigentlich lieb war.
»Wir haben da drüben eine Menge Staub aufgewirbelt. Vielleicht
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