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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Visionen vor seinem inneren Auge auf. In vielen davon spielte ein junger Mann mit Lederjacke und weißblondem Haar eine Rolle, und in einer sogar der Mercedesfahrer aus dem Parkhaus.
    »Komisch?« fragte er.
    »Sie waren ziemlich heruntergekommen. Schmutzig. Ich glaube, es waren Ausländer.«
    »Weil sie schmutzig waren?« Seine Nervosität sorgte dafür, daß ihm die Worte herausrutschten, aber sie taten ihm auch nicht besonders leid.
    »Weil sie mit starkem Akzent gesprochen haben«, antwortete seine Nachbarin kühl. »Wenigstens die Frau. Der junge Bursche hat überhaupt nichts gesagt. Aber auch sie war kaum zu verstehen. Sie wollten später noch einmal wiederkommen.«
    »Danke.« Stefan genoß es regelrecht, die eine Frage in ihren Augen zu lesen, die er ganz bestimmt nicht beantworten würde, nämlich die, ob diese beiden
    Ausländer
vielleicht der Grund waren, aus dem gestern die Polizei in dieses wohlbehütete Haus eingebrochen war. Er hätte die Schadenfreude allerdings noch weit mehr genossen, hätte seine Phantasie nicht noch immer Kapriolen geschlagen. Das Gesicht des weißblonden Lederjackentypen hatte jetzt dem einer schwarzhaarigen wilden Schönheit Platz gemacht, aber das war auch schon alles. Beruhigt war er nicht. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um, betrat seine Wohnung und warf die Tür unnötig hart hinter sich zu. Er wußte, wer die »komischen« Besucher waren. Das hieß, er wußte nicht, wer sie waren, aber er glaubte zumindest zu wissen, wie sie aussahen. Schließlich war er am Morgen um ein Haar mit der dunkelhaarigen Schönheit zusammengestoßen, die vor ihm die Treppe hinaufgestürmt war. Und sie hatte wirklich komisch ausgesehen. Um nicht zu sagen, ein bißchen unheimlich. Stefan bedauerte es jetzt, sie am Morgen nicht angesprochen zu haben. Ganz gleich, was sie und ihr Begleiter von ihm wollten, es konnte ihm kaum so viel Kopfzerbrechen bereiten wie die neuerliche Ungewißheit.
    Er warf das Päckchen mit dem UPS-Aufkleber achtlos auf die Kommode, schälte sich auf dem Weg ins Wohnzimmer aus der Jacke und stellte, beim Schreibtisch angekommen, ohne sonderliche Überraschung fest, daß auf seinem Anrufbeantworter mittlerweile wieder mehr als ein Dutzend Anrufe aufgelaufen waren. Das allermeiste davon war der übliche Müll, mit dem er im Moment wirklich nichts im Sinn hatte, aber es waren auch drei Nachrichten darunter, auf die er reagieren sollte: Dorn, Robert und Rebecca.
    Als erstes rief er in der Klinik an, aber Rebecca war - wie auch sonst? - nicht in ihrem Zimmer. Für jemanden, der sich kaum bewegen konnte, war sie erstaunlich viel unterwegs. Bei Dorn hatte er ebensowenig Glück und hinterließ in seinem Büro, daß er für die nächste Stunde zu Hause zu erreichen wäre und sich ansonsten am nächsten Morgen noch einmal melden würde.
    Als letztes rief er in Roberts Hotel in Zürich an. Die Verbindung kam so schnell zustande, als hätte Robert mit der Hand am Hörer auf seinen Anruf gewartet.
    Wie sich zeigte, hatte er es. Robert war über alles, was am vergangenen Tag geschehen war, genauestens informiert. Trotzdem ließ er sich von Stefan die ganze Geschichte noch einmal haarklein erzählen. Stefan glaubte seinen besorgten Gesichtsausdruck regelrecht hören zu können, als er zu Ende war.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte er. »Das gefällt mir ganz und gar nicht. Ich komme zurück nach Frankfurt.«
    »Wieso?« fragte Stefan. »Weil jemand diese Frau vom Jugendamt überfallen hat?«
    »Weil du und deine Frau möglicherweise in Gefahr seid«, antwortete Robert scharf. Zumindest besaß er genug Anstand, »du und deine Frau« zu sagen, nicht »du und meine Schwester«. Aber der Unterschied spielte eigentlich keine Rolle. Stefan wußte, was er hatte sagen
wollen.
    »Jetzt übertreib es bitte nicht«, antwortete Stefan. »In einer Stadt wie Frankfurt werden jeden Tag Leute auf offener Straße überfallen.«
    »Bist du so dumm, oder tust du nur So?« fragte Robert unfreundlich. »Dieser Polizist könnte recht haben, weißt du? Vielleicht ist euch dieser Kerl gefolgt. Oder jemand hat ihn geschickt, um das Mädchen zurückzuholen.«
    »Und um das zu erreichen, überfällt er diese Frau und wirbelt damit möglichst viel Staub auf?« Stefan lachte. »Unsinn!«
    »Vielleicht.« Robert wischte seinen Einwand mit einem abfälligen Schnauben vom Tisch. »Aber darüber mache ich mir lieber vorher Gedanken, ehe ich es an Rebeccas Grab tue. Ich nehme morgen früh die erste Maschine und komme

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