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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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passieren ließ. Mit einem Mal wußte er genau, daß Rebecca hier unten war. Er wußte, in welcher Entfernung und welcher Richtung er sie finden würde, daß sie nicht allein war, und daß sie Todesangst und Panik verströmte wie etwas Klebrig-Greifbares. Das alles geschah im Bruchteil einer Sekunde, so schnell und nachhaltig, daß er sich dieser Veränderung kaum bewußt wurde.
    Und noch etwas geschah: Jede noch so geringe Spur von Furcht fiel von Stefan ab. Alles, was plötzlich noch zählte waren Rebecca und Eva, seine Frau und sein Kind, die irgendwo vor ihm waren und vielleicht genau in diesem Sekundenbruchteil um ihr Leben kämpften.
    Trotzdem stürmte er nicht blind los, wie es sein erster Impuls gewesen wäre, sondern bewegte sich zwar schnell, aber zugleich so lautlos wie möglich. Rebecca und Eva waren nicht allein hier unten. Ihr Geruch wurde fast überlagert von der Präsenz von mindestens drei oder vier weiteren Personen, vielleicht sogar mehr. Er würde Rebecca nicht helfen, wenn er einfach losstürmte und sich eine Kugel ins Gesicht schießen ließ.
    Rebeccas Schrei wiederholte sich nicht, aber er war ziemlich sicher, daß er aus einem der Räume im hinteren Drittel des langen Korridors gekommen war, und zwar auf der rechten Seite. Er wechselte instinktiv auf die gleiche Seite, um wenigstens einen - wenn auch noch so kleinen - Vorteil zu haben, sollte jemand unversehens aus einer dieser Türen heraustreten, beschleunigte seine Schritte etwas mehr und beugte sich gleichzeitig leicht vor. Seine Schulter- und Armmuskeln waren zum Zerreißen angespannt, und er spürte immer noch nicht die geringste Furcht. Dabei war er sich durchaus darüber im klaren, daß er keine realistische Chance hatte, mit zwei oder gar drei bewaffneten Angreifern fertigzuwerden; wahrscheinlich nicht einmal mit einem.
    Stefan verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf den leeren Betonkorridor, der vor ihm lag. Zwei Dinge hatten sich geändert: Die Türen, hinter denen er Rebecca und das Kind vermutete, lagen jetzt nicht mehr am Ende, sondern in der Mitte des Bereiches, den er überblicken konnte, und der Korridor war nicht annähernd so leer, wie er ihm bisher vorgekommen war. Auf dem Boden lag eine millimeterdicke Staubschicht, in der er ohne Mühe nicht nur zahlreiche Fußabdrücke unterscheiden konnte, sondern auch eine in die Gegenrichtung führende Fährte, mehr eine Schleif- als eine wirkliche Fußspur. Sie wurde wiederum von den Abdrücken von mindestens drei oder vier Paar grobstolliger Schuhe überlagert. Die Abdrücke waren frisch; allerhöchstens fünf Minuten alt.
    Stefan wunderte sich nur mit einem winzigen Teil seines Bewußtseins darüber, daß er all diese Informationen nur mit einem einzigen Blick aufnahm. Er war in eine Welt eingetaucht, die so fremd und bizarr wie die Oberfläche eines Millionen Lichtjahre entfernten Planeten war, und er tauchte nicht nur mit jedem Schritt tiefer in diese Welt ein, sondern schien auch selbst immer mehr zu einem Bewohner dieses fremden Planeten zu werden.
    Behutsam näherte er sich der ersten der drei Türen, die in Frage kamen. Sie war nur angelehnt, aber er sparte sich die Mühe, sie zu öffnen. Eine der Fußspuren auf dem Boden führten hinein und wieder heraus, jemand hatte sich vor ihm die Arbeit gemacht, den Kellerraum zu inspizieren. Jemand, der offensichtlich geblutet hatte.
    Stefan ließ sich in die Hocke sinken, nahm einen der unregelmäßig verteilten Blutstropfen mit der Fingerspitze auf und roch daran. Es roch süßlich, nach Kupfer, und erweckte eine Gier in ihm, vor der er ebenso zurückschrak, wie sie ihn auf fast animalische Weise erregte. Außerdem fütterte es ihn mit einer wahren Flut von Informationen: Es gehörte einem Mann, der zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt sein mußte und sich in bester körperlicher Verfassung befand, aber er war auch sehr erregt gewesen, und nicht so leicht verletzt, wie die geringe Menge von Blut erwarten ließ, die er verloren hatte. Außerdem war er bereit zu töten.
    Stefan stand wieder auf, inspizierte die zweite Tür und kam zu dem gleichen Ergebnis wie bei der ersten. Rebecca mußte hinter der letzten der in Frage kommenden Türen sein.
    Entsprechend vorsichtig war er, als er sich ihr näherte. Stefan hörte jedoch nichts, als er vor der wuchtigen Metalltür anlangte und lauschte; weder Schreie, noch Schritte oder gar die Geräusche eines Kampfes.
    Vielleicht kam er zu spät. Vielleicht waren Rebecca und

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