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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das Kind bereits tot.
    Er weigerte sich einfach, diese Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen.
    Vorsichtig öffnete er die Tür, schlüpfte mit einer nahezu lautlosen Bewegung hindurch und sah sich um. Vor ihm lag ein weiterer, von nur einer einzigen matten Glühbirne erhellter Gang, von dem drei weitere Türen abzweigten. Offensichtlich gab es hier unten ein wahres Labyrinth von Räumen und Gängen, das möglicherweise kilometerlang war.
    Vor ihm polterte etwas; nicht besonders laut, aber anhaltend, und auf eine Art, die irgendwie auf einen Kampf hindeutete. Dann hörte er Stimmen: zwei oder drei Männer, die sich in einer unverständlichen Sprache unterhielten, das Weinen eines Kindes. Keinen Laut von Rebecca.
    Stefan zog die Pistole, überzeugte sich pedantisch davon, daß sie entsichert war, und ergriff die Waffe mit beiden Händen, den Lauf zum Boden gerichtet. Die Stimmen waren nicht weit entfernt, vielleicht zwanzig Schritte, vielleicht auch nur fünf, unmittelbar hinter der nächsten Tür. Sein Herz schlug schneller, aber er hatte immer noch keine Angst. Dabei sollte er sie eigentlich haben.
    Stefan näherte sich lautlos der Tür am Ende des kurzen Ganges, preßte sich mit dem Rücken gegen den kalten Beton und versuchte, durch den kaum fingerbreiten Spalt zu spähen, der zwischen Tür und Rahmen offengeblieben war. Im ersten Moment sah er nur Schatten, aber die Geräusche waren viel deutlicher. Er hatte gut daran getan, vorsichtig zu sein. Die Männer, die er gehört hatte,
standen
unmittelbar hinter der Tür. Er konnte ihre Stimmen jetzt ganz deutlich hören, wenn auch nicht verstehen. Sie sprachen irgendeinen slawischen Dialekt; möglicherweise russisch. Ihr Gespräch hörte sich nach einem Streit an, aber nicht einmal dessen war sich Stefan vollkommen sicher. In seinen europäischen Ohren klang wahrscheinlich selbst der Wetterbericht in russischer Sprache bedrohlich.
    Unendlich behutsam löste er die linke Hand von der Pistole, legte die gespreizten Finger gegen die Tür und drückte. Sie bewegte sich; sehr langsam, durch ihr großes Gewicht aber auch so gut wie lautlos. Der Spalt, durch den er in den darunterliegenden Raum blicken konnte, wurde Millimeter um Millimeter breiter.
    Seine überscharfen Sinne hatten ihm schon wieder einen Streich gespielt. Die Stimmen waren so deutlich gewesen, als stünden ihre Besitzer unmittelbar hinter der Tür, aber da war niemand. Auf der anderen Seite der rotlackierten Feuertür befand sich auch kein weiterer Gang, sondern ein großer, mit Rohrleitungen und Kabelkanälen vollgestopfter Raum, der muffig roch und in dem es deutlich wärmer als im übrigen Teil des Kellerlabyrinths war. Vielleicht diesmal wirklich der Heizungskeller.
    Stefan öffnete die Tür, schlüpfte lautlos hindurch und ergriff die Pistole wieder mit beiden Händen, während er sich ein zweites Mal und aufmerksamer umsah. Der Raum war niedrig, aber so groß, daß sich das Licht verlor, ehe es die gegenüberliegende Wand erreichte. Irgendwo liefen schwere, behäbige Maschinen. Es roch nach trockener Wärme, Medikamenten und Furcht.
    Die Stimmen kamen von links, wo sich außer dem allgegenwärtigen Gewirr von Leitungen und Kabelsträngen auch einige große, sonderbar kahl wirkende Metallblöcke erhoben; keine mit Lichtem und Vertiefungen übersäten Science-Fiction-Maschinen, sondern schmucklose Verkleidungen aus Aluminium, hinter denen er vibrierende Aktivität spürte. Hinter einem dieser Blöcke fiel ein Schatten hervor, der nun wirklich so bizarr wie der einer Science-Fiction-Maschine war, sich aber passend zum Rhythmus einer der Stimmen bewegte. Russisch hin oder her, dort war
keine
Unterhaltung über das Wetter im Gange.
    Stefan näherte sich auf Zehenspitzen den Aluminiumkästen, ließ sich auf das linke Knie herabsinken und spähte vorsichtig um die Kante seiner improvisierten Deckung. Das Aluminium vibrierte so stark in seinem Rücken, daß es beinahe weh tat, und es war
heiß.
Stefan hoffte, daß die Maschinen, die sich hinter der Aluminiumverkleidung verbargen, massiv genug waren, um ein Projektil aufzuhalten, denn die vier Männer, die sich dahinter aufhielten, waren bis an die Zähne bewaffnet. Zwei von ihnen trugen Pistolen, der dritte war zu Stefans Entsetzen mit einer altmodischen Maschinenpistole ausgestattet, einem jener antiquierten Modelle mit überlangem Lauf und einem fast tellergroßen, runden Magazin. Der vierte Mann trug keine sichtbare Waffe, was aber nicht bedeuten

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